Die Graefin Charny
Kleinigkeit! siebzehn, achtzehn, neunzehn ... eine so runde Summe findet man heutzutage nicht auf der Straße! drei-, vier-, fünfundzwanzig! ... Gott sei Dank, sie sind alle da!«
»Ich sagte es ja, und wenn ich es sage, könnt Ihr's glauben.«
»Kann ich's glauben? ... Woher wußtet Ihr denn, daß ich fünfundzwanzig Louisdor bei mir hatte?«»Lieber Meister Gamain, ich habe Euch schon gesagt, daß ich Euch mitten auf der Landstraße liegend fand. Dann rief ich einen zufällig vorüberfahrenden Fiaker; ich machte eine Laterne von dem Wagen los, und während ich Euch anschaute, sah ich zwei oder drei Louisdor in der Nähe Eurer Tasche liegen. Der Kutscher schüttelte den Kopf und sagte: ›Nein, den fahre ich nicht!‹ – ›Warum nicht?‹ – ›Weil er für sein Gewand zu reich ist.‹ – ›Was,‹ sagte ich, ›Ihr meint, wir hätten es mit einem Spitzbuben zu tun?‹ – Das Wort schien Euch aufzuwecken. – ›Was, ich ein Spitzbub?‹ sagtet Ihr. ›Ich habe fünfundzwanzig Louisdor in der Tasche, weil mein Lehrling, der König von Frankreich sie mir gegeben hat‹, antwortetet Ihr. – An diesen Worten glaubte ich Euch zu erkennen; ich hielt Euch die Laterne vors Gesicht. ›Ei! jetzt klärt sich alles auf: es ist Meister Gamain von Versailles; er hat mit dem Könige gearbeitet, und der König hat ihm fünfundzwanzig Louisdor für seine Mühe gegeben ... Kommt nur, ich stehe gut für ihn.‹ – Der Kutscher hatte nun nichts mehr einzuwenden. Ich steckte die Goldstücke wieder in Eure Tasche, der Kutscher trug Euch in den Wagen; ich stieg auf den Bock; wir fuhren bis hierher, und da seid Ihr, Gott sei Dank! im Trockenen, und beklagt Euch über nichts, als über Euern Lehrburschen, der Euch durchgegangen ist.«
»Ich habe von meinem Lehrburschen gesprochen?« rief Gamain, dessen Erstaunen immer größer wurde.
»Wißt Ihr denn nicht mehr, was Ihr gesagt habt?«
»Ich?«
»Jawohl; Ihr sagtet ja soeben: ›Das ist die Schuld des Schlingels‹ ... ich erinnere mich nicht mehr, welchen Namen Ihr nanntet ...«
»Louis Lecomte!«
»Ganz recht ... Ihr sagtet soeben: ›Das ist die Schuld des Schlingels Louis Lecomte, der mir versprochen hatte, mit nach Versailles zu gehen und nun durchgegangen ist.‹«»Es ist wohl möglich, daß ich das gesagt habe, es ist ja die Wahrheit.«
»Ich muß gestehen, daß Ihr Euerem Freunde ungeheuer viel Vertrauen schenkt! Erst sagt Ihr ja, und dann wieder nein. Gerade wie das letztenmal: Ihr wolltet mir eine Geschichte aufbinden, die nur ein Einfaltspinsel glauben kann.«
»Was für eine Geschichte?«
»Die Geschichte von der geheimen Tür, die Ihr im Hause eines vornehmen Herrn beschlagen habt.«
»Nun, Ihr mögt mir's glauben oder nicht, es war diesesmal wieder von einer Tür die Rede.«
»Beim Könige?«
»Ja, beim Könige ... nur ist's keine Treppentür, sondern eine Schranktür.«
»Und Ihr wollt mir aufbinden, der König, der das Schlossergewerbe zu seinem Vergnügen treibt, habe Euch holen lassen, um eine Tür zu beschlagen? Das kann ich nicht glauben!«
»Es ist aber doch so.«
»Da hat der König Euch wohl durch einen seiner alten Kammerdiener holen lassen?«
»Eben darin irrt Ihr Euch, Freund. Der König hatte einen Gehilfen angenommen. Der Geselle kommt nach Versailles und sagt zu mir: ›Hört, Vater Gamain, der König hat ein Schloß gemacht, und ich habe ihm geholfen, aber das verteufelte Ding will nicht schließen!‹ – ›Was soll ich denn dabei tun‹ sagte ich. – ›Ihr sollt es instandsetzen, was denn sonst?‹ – Und als ich zu ihm sagte: ›Es ist nicht wahr, du kommst nicht vom König, du willst mich in eine Falle locken‹, – da antwortete er: ›Zum Beweis, daß mich der König schickt, bringe ich Euch hier fünfundzwanzig Louisdor. Hier‹, sagte er, und zählte sie mir auf.«
»Das sind also die fünfundzwanzig Louisdor, die Ihr bei Euch habt?« fragte der Büchsenmacher. »Nein, nein, das sind andere. Die ersten fünfundzwanzig waren nur eine Abschlagszahlung.«
»Was? Fünfzig Louisdor? Da stimmt etwas nicht, Meister Gamain!«
»Das meine ich auch; denn schauen Sie, der Geselle ...«
»Ja, aber was habt Ihr denn beim König gemacht?« unterbrach ihn der Unbekannte, der das Gespräch wieder auf den interessantesten Punkt zu lenken suchte.
»Wir schienen erwartet zu werden«, erwiderte der Schlosser. »Der König gab mir ein Schloß, das wahrlich nicht schlecht angefangen war, aber er war bei den Riegeln steckengeblieben. Der
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