Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
Vom Netzwerk:
geweint.«
    Erasmus blickte von einem zum anderen. Es war nicht nötig, diese unglücklichen Menschen weiter zu quälen, es gab nichts mehr zu tun. Die junge Frau hatte plötzliche Blutungen bekommen und war daran gestorben. Das war nicht ungewöhnlich, so etwas kam immer mal wieder vor. Doch die Frau war jung und voller Leben, sie schien glücklich gewesen zu sein. Es gab keinen medizinischen Grund für solch einen Tod.
    In seinem Inneren brach sich eine Ahnung Bahn. Eine schwindelerregende Vorstellung, was geschehen sein könnte. Mit Macht drängte er den Gedanken zurück. Er musste wohlüberlegt sein, Erasmus durfte, wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Rasch verabschiedete er sich von der Familie, wollte nicht auf den Priester warten, der dort, wo der Mediziner versagte, sein Werk vollendete.
    Erasmus schritt tief in Gedanken versunken zurück zum Schloss. Vor dem Grab des Selbstmörders blieb er stehen. Seltsame Dinge gingen in diesem Dorf vor sich.
     
    Wieder in seiner Kammer setzte er sich in seinen Sessel und hielt die Augen geschlossen. Die Gedanken rasten in unordentlicher Häufung durch seinen Kopf. Sie fühlten sich an wie ein Wollknäuel, das er erst entwirren konnte, wenn er den Anfang gefunden hatte. Seine gewohnte Disziplin half ihm dabei, Ordnung zu schaffen.
    Die junge Frau hatte einen Blutsturz, so etwas kam vor; ein Bauer hatte sich an seinem Dachfirst erhängt – auch das gab es. Jakobus war an der Schwindsucht gestorben und der Fürst durch einen Sturz vom Pferd. Das Pferd hatte vor einem Wolf gescheut. Die Gräfin war krank, ihre Milch war versiegt.
    All das konnte geschehen. Ein jedes Ding zu seiner Zeit – aber alles zusammen? Unruhig ging er in seiner Kammer auf und ab. Bisher hatte er die Symptome der Gräfin nur von einer bestimmten Seite gesehen, und von dieser Seite passten sie nicht zusammen. Betrachtete er die Geschehnisse jedoch unabhängig, objektiv von allen Seiten, so gab es eine Perspektive, aus der heraus all jenes zusammenpasste.
    Maries Schwester hatte Albträume gehabt, der Alb ließ die Brüste verdorren. Ein unbescholtener Bauer erhängte sich, der Graf erschrak vor einem Wolf und die Gräfin, blutleer und von Schmerzen gepeinigt, schlich nachts über die Flure. Erasmus hielt sich schwankend an seinem Sessel fest. Es gab eine Frage, auf die all dies die Antwort war.
    »Beruhige dich!« Er sprach die Worte laut aus. »Halte inne und gehe wissenschaftlich vor.« Langsam wurde sein Atem regelmäßiger, verebbte das innere Zittern. Er musste logisch an die Sache herangehen. Nur das Denken, das sich freiwillig strenger Disziplin unterwarf, konnte darauf hoffen, wirklich fruchtbar zu werden und sich nicht im bloßen Meinen zu verlieren. Die Wissenschaft würde ihm helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Er musste zunächst seine Theorie infrage stellen, um sie dann umso klarer aus den Zweifeln emporsteigen zu sehen. Schließlich hatte schon Aristoteles gesagt: »Wer recht erkennen will, muss zuvor in richtiger Weise gezweifelt haben.«
    Mit eiserner Disziplin zwang er sich, der Mediziner zu sein, der nicht voreilig urteilte, sondern seine Theorie nach den Vorgaben der Logik prüfte.
    Zunächst musste er eine These formulieren und dann versuchen, sie im Anschluss mittels verschiedener Gegenreden zu widerlegen. Gelang ihm dies nicht, dann durfte er versuchen, sie zu beweisen. Erst wenn ihm dies gelang, konnte er sicher sein, dass seine These der Wahrheit entsprach. Seine These lautete: Die Gräfin leidet an der Vampirkrankheit.
    Erasmus erschauderte. Zum ersten Mal hatte er den Gedanken zu Ende gedacht. Amalia litt an einer Krankheit, die offensichtlich von Ungarn nach Zwinzau gekommen war.
    Keine Dämonen, kein papistischer Firlefanz, die Gräfin war krank. Zudem schien diese Krankheit ansteckend zu sein, keineswegs auf das Schloss beschränkt. Sie drang bis in die entlegenste Bauernkate.
    Er hatte sich erhoben, sein Herz schlug immer lauter und ungestümer. Er war dabei, eine medizinische Entdeckung von unvorstellbarer Brisanz zu machen. Doch – er blieb mitten im Raum stehen, zwang sein aufgeregtes Herz zur Ruhe, er durfte nicht voreilig sein. Noch immer war nichts bewiesen. Er musste zunächst seine Gegenrede formulieren, sie beweisen oder widerlegen, damit er den Gesetzen der Logik Genüge getan hatte.
    Die erste Gegenrede war rasch gefunden. Sie stellte seine These vollumfänglich infrage. Diese Gegenrede bezweifelte eine Krankheit der Gräfin. Sie war leicht zu

Weitere Kostenlose Bücher