Die Graefin der Woelfe
oft durch ein unzüchtiges Weib verführt – seine Krankheit im frühen Stadium erkannte und keinen anderen Ausweg wusste.
Alle diese Formen der Krankheit konnte Erasmus in den Toten der letzten Monate erkennen. Er war sich sicher, dass es auch in längst vergangenen Zeiten Fälle von Vampirismus gegeben hatte, die fälschlicherweise für ein anderes Leiden gehalten wurden oder sogar für die Besessenheit durch Dämonen. Doch gewissenhaft, wie er war, wusste er, dass seine Leidenschaft ihn daran hinderte, methodisch vorzugehen. Noch ging es nicht darum, die Vampirkrankheit zu beweisen, noch ging es darum, zu beweisen, dass es sich um keine andere Krankheit handelte.
Erasmus verfasste eine Liste der unterschiedlichen Symptome, die seine Patientin quälten. So war die Gräfin außergewöhnlich blass, ihr Blut dick und gerann zu schnell. Dies konnte auf eine Krankheit des Blutes hindeuten. Dazu passten die dunklen Augenränder, nicht jedoch die krampfartigen Schmerzen und das nächtliche Umherwandeln. Dies konnte durch eine Gemüts- oder Geisteskrankheit hervorgerufen worden sein.
Erasmus hatte Blödsinnige gesehen, die dem Schlaf entflohen und vor allem des Nachts umherirrten. Auch die fürchterlichen Schreie, die die Gräfin ausstieß, waren ein Indiz für eine solche Erkrankung. Aber niemals hatte sich der Schwachsinn oder die Gemütskrankheit auf die Beschaffenheit des Blutes ausgewirkt.
Es war offensichtlich, dass Amalias Schmerzen tatsächlich und nicht eingebildet waren, ebenso ihre Atemnot. Es war, als läge ein Alb auf ihrer Brust. Dies konnte jedoch nicht erklären, warum sich seine Patientin vorwiegend in abgedunkelten Räumen aufhielt und den halben Tag über schlief. Sie mied das Licht wie der Teufel das Weihwasser. Erasmus hatte ihre Augen untersucht, doch die waren gesund. Es gab keine Erklärung.
Gleichzeitig war es schwindelerregend, wie sich, wenn man nur in eine bestimmte Richtung blickte, ein jedes zum anderen fügte. Selbst der Dämon Lilith, von dem Bruder Ignatius gesprochen hatte, passte ins Bild. Dieser Dämon war der Krankheit, die Erasmus zu entdecken und als Erster zu beschreiben trachtete, so ähnlich, dass er vermutete, dass er nur die abergläubige Erklärung der gleichen Sache darstellte. Ein Phänomen, das er häufig genug festgestellt hatte. In alter Zeit hatten die Unwissenden viele Krankheiten, die heutzutage zu heilen waren, für Hexenzauber und Dämonenspuk gehalten und manches Unrecht war dadurch entstanden. Er würde sich zu gegebener Zeit damit auseinandersetzen. Zu schade, dass der Exorzist, der ihm sicherlich manch wertvollen Hinweis hätte geben können, so früh gestorben war. Allein, woran war er gestorben? War es wirklich das Asthma bronchiale, das ihn dahingerafft hatte, oder hatte er sich angesteckt bei denen, denen er nicht wahrhaft zu helfen wusste?
Erasmus’ Gedanken rasten, sie überschlugen sich beinahe, sein Kopf und sein Herz brannten vor Leidenschaft und Wissensdurst.
*
Lucia rang die Hände und blickte Jelko flehentlich an. »Kann es ihm denn niemand verbieten?«
Jelko schüttelte betrübt den Kopf. Ihr Plan war aufgegangen, aber auf eine Weise, wie sie es niemals erwartet hätten.
Die Amme und Kasimir hatten sich am verabredeten Abend getroffen und rasch Gefallen aneinander gefunden. Svetlana hatte ihre Reize diesmal besser verteidigt als bei Josefs Vater und der Bucklige war bereits am nächsten Tag ins Dorf gelaufen, um den Priester zu bestellen.
Das alles wäre nicht schlimm gewesen. Doch noch am gleichen Tag war ein Reiter auf den Hof gekommen. Ein abgerissener Knecht auf einer Schindmähre. Er kam direkt von Kasimirs Vaterhof. Sein Bruder, der den Hof widerrechtlich an sich gebracht hatte, war bei einem schweren Unfall ums Leben gekommen und mit ihm seine Söhne. Jetzt hatte die Witwe Angst vor der Rache ihres Schwiegervaters und wollte den Buckligen zurück. Sie hätte ihn sogar geheiratet, aber er wollte nur seine Svetlana, und sobald der Priester seinen Segen gesprochen hatte, würden Kasimir, Svetlana und der kleine Josef das Schloss verlassen und es gäbe niemanden mehr, der sich um Elena kümmern würde.
Jetzt zuckte Jelko hilflos mit den Achseln. »Kasimir ist ein freier Bauer. Er kann gehen, wohin er will, er wird sich nicht von der Sache abbringen lassen. Versuch du, mit Svetlana zu sprechen.«
»Ich glaube nicht, dass ich dort viel erreichen werde.« Lucia hob resigniert die Schultern, machte sich aber dennoch sogleich auf
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