Die Graefin der Woelfe
Teil der Verkupplung. Sie besuchte die Amme im Kinderzimmer, wo sie, den kleinen Josef zu ihren Füßen, die Komtess stillte.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen wegen Jelko«, erklärte sie, kaum dass Lucia eingetreten war.
»Da mach ich mir keine Sorgen. Ich hab was für dich. Jelko und ich haben ein wenig nachgedacht und wir haben den richtigen Mann für dich gefunden.«
»Glaub mir, ich habe keine Schwierigkeiten, einen Mann zu finden. Jeder hier weiß, wie ich mein Brot verdient habe. Ich will einen, der mich heiratet.« Svetlana seufzte unglücklich.
»Das weiß ich doch und wir haben jemanden gefunden, der dich heiraten wird.«
Svetlana legte ihren hübschen Kopf in den Nacken und lachte so laut, dass Elena auf ihrem Arm zu weinen anfing. »Pscht, meine Kleine. Ist ja alles gut. Die Magd hat einen Scherz gemacht und anstatt zu weinen, habe ich lieber gelacht. Und du, Lucia, mach keine Witze auf meine Kosten. Ich hab’s schwer genug.«
»Hör zu, wir haben im Stall einen Bauernsohn arbeiten, er kommt aus einem Dorf hinter Linz. Er hat ein nettes Gesicht und gute Manieren. Sein Vater war ein Großbauer und sein Bruder hat den Hof übernommen und ihn rausgeworfen. Seitdem ist der gute Kerl etwas trübsinnig.«
»Das reicht doch nicht, um eine Hure mit einem Bastard zu ehelichen. Eine Hure, die man jederzeit auch so haben kann.«
»Er hat einen Makel und darum wird er keine andere Frau bekommen. Er ist verwachsen, hat einen Buckel, aber sonst ist er sehr nett«, beeilte sich Lucia, hinzuzufügen.
»Ein Buckliger?« Svetlana blickte erstaunt auf. »Ein Buckliger.« Ein helles Lächeln ließ ihr Gesicht erstrahlen. »Mein Vater hat immer gesagt, wenn du den Buckel von so einem berührst, bringt das sieben Jahre Glück.«
Sie sahen einander an. Lucia gluckste albern.
»Ja, dann kann dir doch nichts mehr geschehen. Alle sieben Jahre fasst du ihn mal an und dann geht es weiter.«
»Ach, weißt du, Lucia, alle sieben Jahre ist nicht viel. Von mir aus darf es ruhig öfter sein.« Nun lachte auch Svetlana und eine tiefe Röte überzog ihr Gesicht.
»Er wird morgen Abend auf der Bank sitzen und auf dich warten. Schau ihn dir an.« Lucia stand auf und verließ das Kinderzimmer.
*
Erasmus’ Studien beschäftigten sich derzeit vor allem mit den mannigfaltigen Eigenarten der Vampirkrankheit. Sie trat in den unterschiedlichsten Ausprägungen auf. Da waren die still leidenden Menschen – meist aus dem Volke – die sich um ihre Gemütsbewegung wenig Gedanken machten. Ihr Tod hatte zunächst den Anschein, dass er plötzlich und ohne äußeren Anlass erfolgte. Erst wenn man die Angehörigen eingehend befragte, stellte sich heraus, dass die Gequälten schon über viele Wochen unter schwerstem Albdrücken, Atemnot, Schmerzen, Blutarmut und Verwirrtheit des Geistes gelitten hatten. Eine solche Kranke könnte die unglückliche Schwester der Küchenmagd gewesen sein.
Als Zweites gab es die Leidenden, meist waren es Adelige oder sonstige Menschen, die die körperliche Arbeit nicht gewohnt waren. Sie litten laut und für alle sichtbar an der Vampirkrankheit. Sie spuckten Blut, fantasierten, schrien ihre Schmerzen in alle Welt hinaus und hielten ihre Anvertrauten bis zu ihrem Tode solcherart in Trab, dass es für diese beinahe eine Erlösung war, wenn sie endlich still wurden. Fast hätte man den Jäger in diese Kategorie stecken können. Wenn er auch während seiner gesunden Jahre stets duldsam gewesen war, so war er doch vor seinem Tod ein leidiger, lauter Kranker gewesen, zudem noch stur. Letztlich hätte er dem Tode vielleicht noch entrinnen können, wenn er sich nicht einzig auf die seltsame Medizin der Hebamme verlassen hätte.
Die dritte Gruppe waren die zügellosen Weiber. Sie zeichneten sich durch eine immer deutlicher hervortretende Blässe aus, ihre Lippen jedoch waren blutrot. Diese Frauen gaben der Krankheit ihr lüsternes, ihr vulgäres Aussehen. Sie trieben sich nachts in den Kammern der Männer herum, riefen mal diesen, mal jenen zu sich, ließen sich von allen bewundern und erhörten so manchen. Sie starben so zügellos, wie sie gelebt hatten. Man fand sie am Morgen nach ihren Freveltaten, unzulässig gekleidet, mit verschmierten Lippen in unzüchtiger Haltung erstarrt. Konnte es sein, dass die Gräfin …? Erasmus verbot sich jeden weiteren Gedanken in diese Richtung. Neben diesen drei Haupttypen gab es unzählige Nebenformen, zu denen zum Beispiel der Selbstmörder gehörte, der –
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