Die Graefin der Woelfe
Augenblick mehr in dem Haus aus, in dem solch seltsame Dinge vor sich gingen.
Lotta rannte über den Flur, die Treppen hinunter, hinaus aus dem Schloss. Sie hätte diesen Dienst niemals annehmen dürfen. Aber ihr Vater hatte nur die Münzen gesehen, die man ihm angeboten hatte. Er hatte keine Widerrede geduldet, auch wenn ihre Mutter weinend an der Tür stand, als sie gegangen war.
Und dann kam der Tod des Grafen, der sich vor dem Wolf erschreckt hatte. Sie erschrak auch oft vor den Wölfen, diesen Bestien, die im hinteren Teil des Schlosses gehalten wurden. Wenige Tage nach dem Unglück war sie nach Hause gerannt, um ihren Vater zu bitten, das Schloss verlassen zu dürfen. Seine Hand hatte sie ergriffen und mit ihren Tränen ganz nass gemacht. Aber er war hart geblieben, kam doch mit schönster Regelmäßigkeit ein Säckchen mit Kreuzern ins Haus.
Als sie in der Nacht vorher von diesem seltsamen Geruch nach Feuer und Rauch geweckt wurde, da hatte sie ihrem Vater gar nichts mehr erzählen wollen. Tapfer war sie gewesen, hatte die Zähne zusammengebissen und sich bei hellem Sonnenschein probehalber eine dumme Gans gescholten. Es hatte aber nichts genutzt, sie fürchtete sich trotzdem. Und jetzt dieser seltsame Doktor. Sie hatte es schließlich mit eigenen Augen gesehen. Er hatte Blut in ein Glasfläschchen gefüllt und wollte gerade davon trinken.
Wie von tausend Hunden gehetzt, rannte sie den Schlossberg hinab. Vorbei an der Kutsche, die mit Marijke im Fond den Berg hinauffuhr, vorbei an Margeth, die ihr kopfschüttelnd nachblickte, bis hin zu dem Wirtshaus, wo die ersten Zecher gerade auf die Straße torkelten.
»Na, Jungfer Lotta, es sieht ja aus, als wäre der Leibhaftige hinter dir her.«
»Ich geh da nicht mehr hin«, jammerte sie. »Niemals mehr wieder geh ich da hin.«
»Ja, um Gottes willen, was ist denn geschehen?«, fragte der Zecher und rief ins Wirtshaus. »Fjodor, komm mal raus, hier ist deine Tochter und es scheint, der Leibhaftige ist hinter ihr her.«
Sie zitterte am ganzen Leib, wusste nicht, wovor sie mehr Angst haben sollte, vor ihrem Vater oder vor dem Haushalt der Gräfin. Da fasste sie einen Entschluss.
»Mein Gott, Mädchen, was ist geschehen? Hast du einen Geist gesehen?«, fragte ihr Vater, durch den Alkohol milde gestimmt.
»Vater, schickt mich nicht mehr da hoch, ich bitte Euch. Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen, sie hat Blut getrunken. Ich hab’s genau gesehen. Bitte Vater, schickt mich nie wieder dorthin.« Die Lüge war raus, und es war gar nicht schwer gewesen. Vielleicht war es auch keine Lüge, wenn sie es sich genau überlegte. Der Arzt würde schon nicht allein getrunken haben, die Menschen tranken selten allein.
»Kommt erst mal rein«, sprach der erste Mann. Offensichtlich erkannte er einen Grund zum Trinken, wenn er ihn sah. »Drei Gläser für mich und meine Freunde«, rief er leutselig dem Wirt zu. »Und nun, Mädchen, erzähl von Anfang an. Was hast du da oben erlebt?«
Lotta erzählte. Sie begann mit dem Tag, an dem der Graf gestürzt war. Elena hatte den ganzen Tag über geschrien, und auch die Gräfin war seltsam gewesen. Es war so, als hätte das Kind gewusst, was mit seinem Vater passierte, so unglücklich sei es bereits am Morgen der Jagd gewesen. Denn Elena, da war sie sich sicher, konnte für das alles nichts. Wer konnte schon etwas für seine Geburt, stellte sie mit einem scheuen Seitenblick auf ihren Vater fest.
Dann erzählte sie, wie der Herr die Brüste der Gräfin verdorren ließ, eine Erzählung, die nicht ohne lautes Gejohle aufgenommen wurde. Schließlich schilderte sie die Nacht, in der ein Geruch sie geweckt hatte.
»Es war in der Nacht, als Jakobus gestorben war. Ich hatte wie immer mein Bett neben der Kammer der Komtess aufgeschlagen, die Tür war offen. Aber die Tür zu der kleinen Ammenhure hatte ich geschlossen. Ich bin es nicht gewohnt, in solch einer Gesellschaft zu schlafen.«
»Das hast du gut gemacht. Bist ein anständiges Mädel, kommst schließlich aus einem anständigen Haus«, warf ihr Vater ein, zum ersten Mal in seinem Leben sichtlich stolz auf seine Tochter.
»Und dann? Erzähl schon!«
»Dann wurde ich wach von diesem Geruch nach Ruß und Kerzen. Und noch etwas war dabei, Blumen, es war der Duft von Blumen.«
»Sicher waren es Lilien, die Blumen des Todes«, mischte sich die Wirtin ein, die sich viel auf ihre botanischen Kenntnisse einbildete.
»Und konnte es auch der Geruch von Schwefel gewesen sein?«, fragte der
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