Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
Vom Netzwerk:
begrüßt.«
    Galant hauchte der Architekt Marijke einen Kuss auf die Hand. Er war, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, eher noch stattlicher geworden. Sein Körper hielt sich wie immer aufrecht, und in seinen Augen lag der gleiche kluge Glanz wie früher. Es schien, als hätte das Alter den Architekten verschont. Er hielt Marijkes Hand fest umschlossen, als er seine kleine Ansprache fortführte.
    »Die Jahre scheinen spurlos an Ihnen vorübergegangen zu sein, liebes Fräulein von Wertheim. Aber nun sagen Sie, wie geht es unserer Freundin? Ihr Brief hat mich, bei aller Freude über das baldige Wiedersehen, zutiefst erschüttert.«
    Marijke zeigte auf eine Sitzecke, die sich neben dem Kamin im hinteren Teil des Empfangszimmers befand. »Setzen wir uns, lieber von Hildebrandt. Die Gräfin schläft und ich bin froh, die Gelegenheit nutzen zu können, Sie vorzuwarnen.«
    »Steht es so schlimm um sie?«
    Sie setzten sich.
    »Ich fürchte, es ist schlimmer, als Sie es sich vorstellen können.« Marijke begann zu erzählen. Davon, dass Amalias Milch versiegt war und Jakobus bis nach Linz reisen musste, um eine Amme zu dingen. Von dem Tod des treuen Dieners und den bitteren Vorwürfen, die sich Amalia gemacht hatte. Sie verschwieg auch nicht, dass Elena seit Jahren im Kloster lebte und sie selbst es war, die sie dorthin gebracht hatte.
    Marijke beschrieb die Symptome der Krankheit und die verzweifelten Versuche Amalias, sich wieder aufzurichten, stark genug zu werden, um ihre Tochter zurückzuholen. Dies alles schilderte sie mit der ihr eigenen Genauigkeit. Alles benannte sie, nur Erasmus’ furchterregende Diagnose verschwieg sie. Aus Angst, der Architekt könnte sich abwenden, und aus Scheu davor, die schrecklichen Worte auszusprechen. Nachdem sie geendet hatte, lag tiefes Schweigen zwischen ihnen.
    Niemals vorher hatte Marijke über diese Ereignisse gesprochen. Es war ihr, als hätte sie sich die Geschehnisse der vergangenen Jahre selbst geschildert. Die Tragweite des Unglücks wurde ihr in aller Deutlichkeit bewusst. »Sie hat solche Schmerzen, der Tod wäre eine Erlösung für sie.« Ihre Stimme drohte, zu versagen. Zum ersten Mal in ihrem Leben ließ sie vor den Augen eines anderen ihre Schultern hängen, gab ihre damenhafte Haltung, die ihr doch immer eine zweite Natur gewesen war, beinahe vollständig auf. Sie spürte, wie müde sie war, wie ängstlich und erschüttert.
    Ihre Worte hatten großen Eindruck auf von Hildebrandt gemacht, der sein Gesicht in den fleischigen Händen barg. Seine Schultern hoben sich unter dem Pelzbesatz seines Kragens. So blieb er eine Zeit lang sitzen. Schließlich richtete er sich auf. »Sie ist wieder trübsinnig geworden, stimmt das?«
    Marijke nickte.
    »Und der Doktor, was tut der Doktor? Ist er da, kann ich mit ihm sprechen?«
    »Nein.« Marijke schüttelte den Kopf. »Wir sind ohne ihn gereist. Er hätte niemals …«
    »Verstehe! Er wird sie niemals verstehen. Wie könnte er auch? Sie hat etwas, was wenige Menschen haben.« Hildebrands Blick verlor sich. »Ich habe es vom ersten Tag an gespürt. Sie wäre ein guter Baumeister geworden. Ein Baumeister im Körper einer Frau. Eine Laune der Natur.«
    Als der Architekt wenig später in das gezeichnete Antlitz seiner Freundin blickte, konnte er sein Erschrecken trotz Marijkes Vorwarnung nicht verbergen. Marijke war froh, dass Amalia noch schlief und es nicht sehen musste. Jetzt schluckte die Gräfin und drehte den Kopf in Hildebrands Richtung. Ihre Lider flatterten, ihre Augen öffneten sich langsam. Amalia blinzelte.
    »Sind Sie es, lieber Freund?«
    Der Architekt verneigte sich. »Ja, verehrte Freundin. Wie schön, Sie zu sehen.«
    Amalia hob eine Hand. »Es ist lange her.«
    »Sie sind zur rechten Zeit nach Wien gekommen. Der Frühling lässt die Stadt jedes Jahr schöner erscheinen. Sie müssen – ich bestehe darauf – Sie müssen sich die Gärten im Belvedere anschauen. Der Gärtner dort ist ein wahrer Künstler. Kein Maler hat jemals solche Farben gemischt, wie sie dort durch die Hilfe des Herrn und seiner Diener erblühen. Die beste Zeit ist am Morgen, wenn die Sonne das Gelb der Narzissen erstrahlen lässt.«
    Amalia winkte lachend ab. »Langsam, alter Freund, Sie machen mich ja jetzt schon ganz atemlos.«
    Sie machte eine Pause, setzte sich mit Marijkes Hilfe auf und trank einen Schluck Wasser. Dann sprach sie weiter. »Zeigen Sie mir das Schloss, lieber Freund. Ich möchte sehen, wie es geworden ist. Und das

Weitere Kostenlose Bücher