Die Graefin der Woelfe
Lucia entschlossen die Tasse auf den Teller stellte.
»Das ist nichts für mich, ich bleibe besser bei Wasser und Bier.«
Jetzt lachten sie alle drei, laut und herzlich, wie es in diesem Haus seit vielen Monaten nicht mehr der Fall war.
Auch die nächsten Tage blieben heiter, wenngleich Amalias Krankheit allgegenwärtig war. Die Gräfin wurde weiterhin von Krämpfen geschüttelt, behielt das wenige Essen, das sie zu sich nahm, kaum noch bei sich und verlor beständig an Kraft und Gewicht. Jeden Morgen und jeden Abend trank sie nun ein Tässchen Kaffee. Die Abende verbrachten sie häufig gemeinsam mit Lucia und ihrer Familie in der gut gewärmten Küche. Es war beinahe wie früher, als sie noch in der alten Burg Falkenfried gelebt hatten. Wenige Wochen vor dem Erntedankfest, der Doktor war noch immer nicht aus Linz zurück, erbat sich Amalia ihre Schreibmappe. Marijke brachte das Gewünschte und wollte sich zurückziehen.
»Bleib nur, Marijke. Lies, was ich schreibe, dann brauche ich es dir nicht eigens zu erzählen.« Sie tauchte die Feder ein und schon füllte ihre schwungvolle Schrift den leeren Bogen besten Papiers.
Mein liebster Freund,
erlauben Sie mir diese Anrede noch? Obgleich ich so viele Monate säumte, Ihnen zu schreiben.
Sie waren dabei, als schwarze Wolken mein Dasein verdüsterten, die bis zum heutigen Tage nicht verschwunden sind. Mein Herz ist schwer und voller Kummer und will bald nicht mehr schlagen. Einzig der Wunsch, Sie und meine geliebte Stadt Wien noch einmal mit eigenen Augen zu schauen, hält mich aufrecht.
Seit der Schnee unsere Hügel verlassen hat, geht es mit mir beständig aufwärts, in der freudigen Erwartung auf Sie und mein Wien. In Gedanken durchschreite ich die Straßen und Plätze.
Seit einiger Zeit trinke ich wieder Kaffee, warum ich ihn so lange missen musste, ist eine zu umfangreiche Geschichte, als dass ich sie mit meiner zittrigen Hand aufschreiben könnte. Der Geschmack jedenfalls erinnert mich an unsere erste Begegnung. Umso fester ist mein Entschluss. Ich werde noch vor Christi Himmelfahrt aufbrechen.
Da ich nicht weiß, wie lange die Boten heutzutage brauchen, um meine Nachricht zu Ihnen zu bringen, ist es möglich, dass ich, jetzt da Sie diese Zeilen lesen, bereits auf dem Weg in die Stadtresidenz derer von Torgelow bin. Meinem Neffen werde ich eine kleine Depesche schicken, ich kann mir nicht vorstellen, dass er meine Bitte um Aufenthalt in dem Hause meines Vaters abschlagen wird. Dort erwarte ich Sie,
in tiefer Freundschaft
Ihre Amalia von Falkenstein
Den nächsten Brief diktierte sie Marijke in die Feder.
Liebster Neffe , begann sie, meinem vergangenen Brief nachfolgend habe ich noch eine Bitte. Mit knappen Worten tat sie dem Fürsten Torgelow ihre bevorstehende Ankunft in Wien kund. Marijke versiegelte beide Briefe, schrieb die Adressen auf und schickte Jelko zur nächsten Poststation, wo er sie umgehend aufgeben sollte.
*
Elena hatte nachgedacht, doch obwohl sie sich viel Mühe gegeben hatte, war sie zu keinem Ergebnis gekommen. Der schwarze Doktor log, so viel stand fest. Sie hatte Pater Johannes extra gefragt, ob er wirklich die Sünden vergeben könne und er hatte ihr erklärt, dass er von Gott dazu berufen war, die Sünden der Menschen zu verzeihen, die von Herzen bereuten. Elena hatte dann gleich gebeichtet.
»Vergib mir Vater, denn ich habe gesündigt. Ich habe den schwarzen Doktor einen Lügner genannt und einen Hundsfott ebenso.«
Der Priester schimpfte sie wegen der schlimmen Worte, die sie nutzte. Doch noch mehr schimpfte er auf ihre gottlose Mutter, die zusätzlich zu allen Seltsamkeiten, die man über sie erzählte, nun auch noch ihr eigen Fleisch und Blut vergaß. Seine Worte schnitten in Elenas Herz. War ihre Mutter wirklich gottlos? Warum wollte sie nichts mit ihr zu tun haben? Tiefe Trauer schlich sich in ihr Herz, Trauer und die Gewissheit, dass sie selbst Schuld daran sein musste, dass ihre Mutter sie nicht mehr sehen mochte. Was hatte sie nur getan?
Elena wollte folgsam werden. Sie nahm jede Buße auf sich, die der Priester ihr befahl.
Gleichzeitig hatte sie viel Vergnügen an dem Unterricht, den ihr Schwester Josefa erteilte. Elena lernte sehr schnell Lesen und Schreiben und sogar Latein. Es machte ihr viel Freude, in der Sprache Gottes sprechen zu können.
Manchmal, wenn sie ihre vielen Lehrer und Erzieher abschütteln konnte, ging sie zu dem alten Hofhund oder zu Paul dem Esel und legte ihren Kopf an das Fell der
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