Die Graefin der Woelfe
Palais, haben Sie es fertiggestellt? Ist der Fürst zufrieden?«
»Nicht ich habe es zu Ende gebaut, aber ja, der Fürst ist sehr zufrieden, und Vater und Sohn von Erlach haben meine Ideen wunderbar umgesetzt. Ich werde morgen früh mit einer Mietkutsche vorfahren, dann zeige ich es Ihnen. Wir werden im Griechenbeisl speisen und einen wunderbaren Tag haben.«
»Und in ein Kaffeehaus gehen. Oh, wie lange war ich schon nicht mehr in einem Kaffeehaus.«
»Und in ein Kaffeehaus gehen. Es wird mir eine Ehre sein.«
Marijke hatte den immer rascher erfolgten Wortwechsel schmunzelnd verfolgt. Ihr Herz schlug ein wenig freudiger, vielleicht gab es doch noch Hoffnung.
»Dann lassen Sie mich jetzt schlafen, werter Freund. Ich werde meine bitterste Medizin nehmen, damit ich diesen wunderbaren Tag genießen kann.«
*
Am nächsten Morgen wartete Amalia mit Marijke in der Halle auf den Architekten. Amalia hatte sich in ein beinahe schlicht zu nennendes, zartrosa Kleid gewandet. Es war an den Hüften ausgestellt und fiel locker über ein halbes Dutzend Unterröcke und einen Reifrock. Darüber trug sie einen dunkelroten, mit Rosen bestickten Samtmantel. Die Perücke hatte Marijke zu einer kunstvollen Hochfrisur gesteckt und mit einem hochmodernen Hütchen gekrönt, geschmückt mit Spitze und Seidenblüten. Die Aufmachung fühlte sich ungewohnt an, gab ihr jedoch auch einen Hauch Leben zurück.
Sie mussten nicht lange warten. Lucas von Hildebrandt war wie immer von königsgleicher Pünktlichkeit. Er führte sie zuerst ins Kaffeehaus, wo sie von einer jungen und drallen Kellnerin freundlich begrüßt wurden. Glückselig horchte Amalia der weichen, typischen Wiener Aussprache.
»Es tut gut, wieder in Wien zu sein. Die Luft der Freiheit zu atmen. Ach, wenn ich nur die Zeit zurückdrehen könnte.«
»Gräfin!« Von Hildebrandt legte seine Hand auf ihren Arm. »Noch ist es nicht zu spät. Ich bin mir sicher, Ihr Neffe wird nichts dagegen haben, wenn Sie seine Gastfreundschaft noch sehr lange in Anspruch nehmen würden.«
»Doch, das ist es, lieber Freund.«
»Warum?« Der Architekt sah zwischen ihr und Marijke hin und her. Amalia schlug die Augen nieder und Marijke rührte hingebungsvoll in ihrer Tasse. Sanft legte Amalia ihre Hand auf den Arm des Architekten. »Seien Sie mir ein Freund, und lassen Sie uns nicht von dem Schrecklichen sprechen, das mich umgibt. Schenken Sie mir diesen Tag, diesen einen Tag in dieser wunderbaren Stadt.«
»Ich werde Ihnen die Stadt zu Füßen legen«, antwortete von Hildebrandt.
Nach dem Kaffee brachten sie Marijke zu einem Schneider, bei dem auch Kaiserin Elisabeth Christine einzukaufen pflegte. Anschließend führte ihr Weg sie nach Belvedere.
Der Architekt hatte nicht zu viel versprochen. Der Garten erstrahlte in voller Schönheit. Hunderte von Blüten tauchten ihn in ein Farbenmeer. Nichts konnte die Herrlichkeit Gottes so sehr preisen wie dieses seine Kleinod. Sie arbeiteten nicht und spannen nicht, doch nichts war vergleichbar mit ihrer Schönheit. Amalia sog den süßen Duft der Blumen tief ein.
Später, als die Sonne den Zenit überschritten hatte, führte sie ihr Weg zur Jesuitenkirche. Amalia strich über das warme Holz der Bänke, legte ihre Hände auf den rosa Marmor der gedrehten Säulen. Sie sahen noch immer leicht aus, so, als könnten sie schweben. Ihre Augen hefteten sich an die kleinen Spiegel, die so raffiniert angebracht waren, dass sie das Licht reflektierten und die Kirche heller und prächtiger erscheinen ließen. Amalia lächelte. Vor ihrem inneren Auge erblickte sie das Kind, das sie einmal gewesen war. Das Mädchen, das an Pater Eugens Hand die Geheimnisse der Baukunst erkundete. Jemand spielte Orgel, und sie erinnerte sich an ihren Traum.
»Ein Altar für die heilige Hildegard«, sinnierte sie lächelnd.
»Für wen? Sie meinen Hildegard von Bingen? Wie kommen Sie darauf?«
»Ich weiß es nicht, ich habe davon geträumt. Margeth hat sie verehrt. Sie hatte viele ihrer Heilrezepte angewandt.«
Der Architekt blickte in die Ferne. Eine Erinnerung erhellte sein Gesicht und er zitierte aus dem Gedächtnis: »Mitten im Weltenbau steht der Mensch. An Statur ist er zwar klein, an Kraft seiner Seele jedoch gewaltig.«
»Sie war eine große Frau, auch wenn sie klein war«, sagte Amalia.
»Ja, das war sie. Sie hat …«, von Hildebrandt blickte Amalia in die Augen, »sie hat sich nicht an die Konventionen gehalten.«
»Und sie war gebildet.« Lächelnd hakte
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