Die Graefin der Woelfe
wie ein Marktschreier.
Arnstein schluckte, trat aber näher an den Tisch.
Hans Löbel hob das Kruzifix hoch und hielt es in die Luft. »Ist es gestattet, dieses Ding hier auf die Seite zu legen?«
Von Spießens Gesicht überzog sich mit einer dunklen Röte. Arnstein wartete gespannt, was kommen würde, aber der Leipziger nahm nur wortlos das Kreuz an sich und legte es neben seine Werkzeuge.
»Meine Herren, ich werde jetzt den Körper durch einen Längs- und einen Querschnitt öffnen. Wir brauchen dabei keine Furcht vor Verschmutzungen zu haben, denn bei einer Toten in diesem Stadium tritt kein Blut mehr hervor.« Die Stimme des Chirurgen hatte sich verändert. Plötzlich klang sie ernst, geradezu seriös. Mit geübten Bewegungen führte er sein Skalpell. Er hatte recht, es drang kein Blut aus dem Schnitt. Der Chirurg legte die inneren Organe frei und zeigte auf einen dunkelroten kleinen Knoten am unteren Teil der Lunge. »Ich vermute, dass dieses Ding hier unserer Patientin das Leben schwer gemacht hat. Habe ich recht, Dr. von Spießen, hat sie schlecht Luft bekommen?«
»Die Geschwulst ist viel zu klein, sie hätte niemals einen solchen Tod nach sich ziehen können. Darüber hinaus wissen wir noch immer nicht mit Gewissheit, welche dieser Dinger krankhaft sind. Ich habe schon so manchen Patienten gesehen, der solche und ähnliche Knoten an den unmöglichsten Stellen des Körpers hatte, ohne jemals damit Schwierigkeiten gehabt zu haben.«
Der Chirurg zeigte stumm auf eine Vorwölbung, welche sich direkt unterhalb der Lunge erhob. Sie war etwas heller als das sie umgebende Gewebe und mit dunklen Blutgefäßen durchzogen. »Ist Ihnen dieses Ding groß genug? Es wächst direkt aus dem Magen.« Löbel griff nach einem Skalpell. »Armes Mädchen, du musst große Schmerzen gehabt haben«, sprach er, während er sich anschickte, die inneren Organe, so wie es die korrekte Leichenschau vorsah, aus dem Körper zu entfernen.
»Halt!« Von Spießens Stimme ließ Arnstein und Löbel zusammenfahren. »Das wird wohl nicht nötig sein. Schreiben Sie, Dr. Arnstein!«
Er nahm gehorsam seine Schreibposition wieder ein.
»Die Tote befindet sich in einem ausgemergelten Zustand. Die inneren Organe sind stark ausgezehrt und mit unterschiedlich großen Geschwülsten bedeckt. Dabei ist besonders eine etwa kindskopfgroße Geschwulst am Ventriculus zu erwähnen, die zur Erklärung der Symptome, welche die Tote zu Lebzeiten gequält hatten, heranzuziehen ist. Weitere kleinere Geschwulste in den Leisten, der Lunge und unter den Achseln sind jedoch nicht als bösartig zu erkennen.«
»So, sind sie nicht?« Der Chirurg schüttelte den Kopf. »Dr. Arnstein, was sagen Sie dazu?«
»Ja, lieber Kollege, erklären Sie doch unserem geschätzten Herrn Bader, oh, verzeihen Sie, Chirurg, was Descartes oder Paré, der ja ein Kollege von ihm war, über den Krebs gesagt hat.«
Was hatten sie denn gesagt? Arnstein kramte in seinem Kopf. Paré hatte den Krebs beschrieben, bösartigen von nicht bösartigen unterschieden und Descartes? Der sagte etwas von entarteter Lymphe. Arnstein wollte sich nicht blamieren. Er erhob seine Stimme, unsicher noch. »Descartes ist da ganz eindeutig. Während der gute Paré schon zu seiner Zeit die Krankheit in gut- und bösartig unterschieden hat, zeigt uns Descartes an, dass sie eine Folge einer entarteten Lymphtätigkeit ist.«
»Sehen Sie, Chirurg, und deshalb können wir Ärzte nicht jede Geschwulst als bösartig ansehen.«
»Wie Sie befehlen, Doktor, soll ich die Dame wieder zusammennähen?«
»Ich muss doch sehr bitten!«, donnerte Arnstein. Das war wirklich zu viel, so hatte in seinem Haus noch niemals jemand über eine Dame gesprochen, und das wollte er sich auch jetzt nicht gefallen lassen. Der Chirurg hob erneut die Hände. »Nichts für ungut. Aber sehen Sie, wenn Sie mit dem armen Wesen fertig sind, sollten wir sie vielleicht wieder …«
»Vielen Dank, Herr Löbel. Ich benötige Ihre Dienste nicht mehr. Doktor Arnstein hat einen hervorragenden Genever, Sie sollten sich von seiner Hausdame ein Gläschen einschenken lassen.«
Hans Löbel machte einen übertriebenen Diener und verließ das Behandlungszimmer.
»Wenn Sie die Aufzeichnungen beendet haben, Kollege Arnstein, dann sollten Sie dem geschätzten Bader Gesellschaft leisten. Das hier, so habe ich es der Gräfin versprochen, führe ich allein zu Ende.«
*
Nachdem die beiden Männer das Zimmer verlassen hatten, betrachtete Erasmus einmal
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