Die Graefin der Woelfe
für armselige Geschöpfe sie doch waren.
Eine gebeugte Gestalt löste sich aus der Menge, hinkte auf sie zu. Es war Dagomar. Ein ungewohnter Ausdruck lag auf dem klugen Gesicht der Bäuerin. »Mein Beileid, Margeth. Es tut mir wirklich leid.«
Verwundert stellte Margeth fest, dass sie ihr glaubte. Ein Griff nach der rauen Bauernhand, dann setzte sich Margeth neben Andres und Betsy in die Kirchenbank. Der Pfarrer begann zu predigen, von Asche und Staub und Gottes Wille und der Menschen Dienerschaft. Währenddessen öffnete sich die Kirchentür ein weiteres Mal. Auf leisen Sohlen betraten Lucia, Jelko und ihr Sohn die Kirche. Lucia war in ein braunes Tuch aus auffallend guter Wolle gehüllt. Sie traten an den Sarg und knieten für einen Augenblick nieder, bevor sie sich leise neben Margeth setzten.
*
Gafur, Zdenko und einige weitere Männer waren in der Kirche geblieben. Sie mussten dafür Sorge tragen, dass der Sarg gut verschlossen in seiner Gruft ruhen würde. So schütteten sie etliche Eimer geweihte Erde auf den Deckel, packten Steine darauf, so groß, dass zwei Männer sie schleppen mussten, und füllten den Hohlraum vollständig aus. Anschließend verschloss der Steinmetz die Gruft mit der schweren Grabplatte, die er schon vor Wochen angefertigt hatte. Zur Sicherheit mauerte er sie fest in die Einsparung, sodass sie nicht mehr verschoben werden konnte.
Schwer atmend stand Gafur vor der Grabstätte. Er blickte in die Gesichter der anderen. Angst und Erschöpfung waren zu erkennen und ein wenig Zufriedenheit.
»Da kommt niemand mehr raus«, fasste Zdenko in Worte, was er selbst dachte.
Auch die anderen nickten stumm. Sie hatten schwer geschuftet und nun eine trockene Kehle.
»Lasst uns ins Wirtshaus gehen«, schlug einer vor, alle folgten.
Als sie die Schenke betraten, blickten die Gäste auf. Es schien, als ob sie bereits erwartet würden.
»Da sind wir ja froh, dass ihr alle heil wiedergekommen seid«, grölte eine besoffene Stimme, aber es wollte keine rechte Heiterkeit aufkommen.
»Habt ihr die Gruft gut verschlossen?« Thomasz hielt sich bleich an seinem Becher fest.
Seitdem die Gräfin wieder im Dorf war, schien die Angst ihn fest in ihrer Gewalt zu haben.
»Keine Angst, die kommt nicht wieder.«
»Woher willst du das so genau wissen, Zdenko? Der Jäger ist ja auch wieder gekommen.«
»Ich weiß es eben. Wir haben zentnerweise Sand und Steine auf sie draufgepackt und ein Kreuz auf ihren Sarg gelegt, und der Steinmetz hat den Grabstein eingemauert. Die kommt nicht mehr!« Bednar und Gafur nickten.
»Und wenn schon«, sprach der Schmied. »Mich bekommen keine zehn Pferde mehr in die Nähe von einem Sarg, außer von meinem eigenen. Dann soll’s mir egal sein.«
»Außerdem hat der Doktor gesagt, er würde dafür Sorge tragen, dass die Krankheit nicht weiter ausbricht. Das hat er doch gesagt?« Gafur blickte fragend zu Zdenko.
»Ja, das hat er gesagt.«
»Aber er war nicht da, als sie starb«, lallte Thomasz.
»Doch, das war er. Er ist ihr nachgereist nach Wien.«
Die Männer drehten sich um. Jelko stand in der Wirtsstube. »Ich habe ihm noch angespannt und einen Kutscher besorgt.«
»Und was macht ihr jetzt?«, fragte Andres, der offensichtlich das Thema wechseln wollte.
»Wir fahren morgen früh nach Wien. Die Zofe hat uns eine Nachricht zukommen lassen.«
*
Elena war an diesem Morgen früh aufgewacht, die Nonnen sangen noch in der Frühmesse, die sie aufgrund der Intervention von Pater Johannes nicht besuchen musste. Auf leisen Sohlen schlich sie sich aus ihrer Kammer und ging zu ihrem alten Freund, dem Hofhund. Als dieser sie bemerkte, legte er sich erwartungsfroh nieder. Elena schmiegte sich fest an ihn. Mit geschlossenen Augen spürte sie den Herzschlag des Tieres. Wieder einmal konnte sie Schwester Resas Stimme hören. Allein, diesmal hatte Elena das Gefühl, eine weitere Stimme zu vernehmen.
Eine sanfte Stimme, die ihr Herz zu streicheln schien.
Mein Kind , flüsterte die Stimme. Endlich bin ich bei dir, endlich kann ich über dich wachen. Elena fühlte sich behütet und geborgen wie niemals vorher in ihrem Leben.
Sie streichelte dem Hund mit rascher Hand über den Nacken und schlüpfte zurück, gerade rechtzeitig, um nicht von Schwester Eusebia erwischt zu werden.
4. Kapitel
Frühsommer 1730
G afur, Thomasz und der Schmied beobachteten, wie die Kutsche mit Jelko und seiner Familie im Frühnebel des folgenden Tages Zwinzau verließ. Es war
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