Die Graefin der Woelfe
lehnte jedes weitere Glas ab, während er sich zum wiederholten Male nachschenkte. Dabei beobachtete er, wie von Spießen mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor der Leiche auf und ab ging. Schließlich blieb der Leipziger am Kopfende stehen und erhob seine Stimme.
»Die Leiche der Gräfin Amalia Charlotte von Falkenstein liegt in äußerlich unversehrtem Zustand vor mir. Das Gesicht wirkt entspannt, die Haut ist blass und fühlt sich an wie dünnes Pergament. Zahlreiche Totenflecke überziehen den Körper, die durch leichte Berührung zu verschieben sind.«
Der Mediziner hielt in seiner Totenschau inne, blickte Arnstein aus eisigen Augen an und befahl: »Schreiben Sie das auf, Doktor.«
Er nickte, nahm einen Griffel, und begann zu schreiben. In der Zwischenzeit hatte von Spießen jeden Zoll von Amalias Körper mit der Kerze beleuchtet. Sein Blick blieb auf ihrem Mal haften. »Sehen Sie, so etwas hielt man früher für ein Hexenmal.« Von Spießen schüttelte scheinbar angewidert den Kopf. Dann ergriff er seine Nadel und stach in das Mal, es blutete nicht. Ein Umstand, der daher rührte, dass die Gräfin bereits tot war.
»Ich hätte es wissen können.« Von Spießens Stimme klang gepresst. Nun veränderte er seine Position und betrachtete den Hals der Toten, ehe er weiterdiktierte.
»Die Tote wurde gründlich auf Biss- oder andere Wunden untersucht. Diese konnten jedoch nicht gefunden werden. Weder frische noch alte, bereits verheilte Wunden, die sicherlich Narben hinterlassen hätten. Unter den Achseln konnte ich beiderseits Knoten ertasten. Sie sind rechts etwa so groß wie ein Fingerhut und auf der linken Seite mehr als doppelt so groß.«
Er blickte auf und wartete, bis Arnstein fertiggeschrieben hatte. Erst nachdem er den Stift ruhig hielt, fuhr von Spießen fort.
»Hiermit ist die äußere Betrachtung beendet. Sie hat zu meiner Verwunderung keine Besonderheiten hervorgebracht.«
Der Doktor trat zum Fenster und Arnstein schenkte sich ein weiteres Glas ein.
»Was haben Sie denn erwartet?«, fragte er schüchtern.
Der andere schien ihn nicht zu hören. Er schüttelte den Kopf und sprach mehr zu sich als zu Arnstein. »Wie konnte ich erwarten, dass er es mir so einfach machen würde?«
»Wer?« Es gab keine Antwort. So warteten sie, die Leiche der Gräfin wie ein Mahnmal zwischen sich.
Arnstein hielt es kaum noch aus. Immer wieder ging sein Blick zu der Flasche, doch er hatte genug getrunken, war nahe daran, sich zu betrinken.
Endlich waren die eiligen Schritte eines Mannes zu hören. Die Tür wurde geöffnet und ein kleiner Herr mit hochgezogenen Schultern betrat den Raum. Sein Gesicht war nichtssagend, wirkte ein wenig verquollen, nur die Augen blickten listig unter herunterhängenden Lidern hervor.
»Ach, da haben wir ja unsere Patientin«, sprach er mit einem spöttischen Unterton und zog das Laken, das Erasmus nach seinen äußeren Betrachtungen sogleich wieder über die Tote gebreitet hatte, schwungvoll herunter. »Ganz schön ausgemergelt!« Seine Stimme klang wenig bedauernd.
Arnstein hob den Kopf. Wie sehr verabscheute er den respektlosen Humor des Chirurgen. Er zog hörbar die Luft ein. »Herr Löbel, Sie stehen hier vor dem sterblichen Leib der Gräfin Amalia Charlotte von Falkenstein, eine geborene Torgelow, falls Ihnen das etwas sagt. Sie sollten sich benehmen, auch wenn ich weiß, dass es Ihnen niemals möglich sein wird, einer solchen Persönlichkeit lebend gegenüberzutreten.«
»Gemach, gemach«, winkte der andere gutmütig ab. »Sie haben Ihre Art und ich die meine, damit umzugehen. Und das alte Mädchen wird es nicht mehr stören. Sie scheint recht fröhlich entschlafen zu sein. Ah, wie ich sehe, Kollege von Spießen, haben Sie Ihre Kunst häufig und ausdauernd an der armen Person ausgeübt. Kein Wunder, dass sie so durchscheinend wirkt. Hatte sie überhaupt noch Blut, als sie starb?« Bei diesen Worten hob er den Arm der Gräfin hoch, sodass die Narben der vielen Aderlasse deutlich zu erkennen waren.
Arnstein sah gespannt zu von Spießen, der unter zusammengebissenen Zähnen hervorstieß: »Wir sollten jetzt anfangen, die Herren. Sie wissen doch, was zu tun ist, Herr Löbel, oder?«
Löbel grinste, öffnete seine Tasche und entnahm ihr mehrere Skalpelle. Er ordnete sie der Größe nach.
Arnstein trat unwillkürlich ein paar Schritte zurück.
»Kommen Sie nur, Doktor, hier gibt es gleich etwas zu sehen. Sie dürfen in der ersten Reihe stehen.« Löbel hörte sich an
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