Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
Vom Netzwerk:
Wienerischen Diarium, als er die schwarze Leichenkutsche vor seinem Haus halten sah. Er wusste sofort, was das zu bedeuten hatte, nahm einen weiteren tiefen Schluck aus der Flasche, stand auf, wusch sich die Hände und zog seinen Kittel über. Er zitterte, seine Hände wurden feucht. Hätte er nur … aber jetzt war es zu spät, und außerdem hatte der Kollege ein gutes Handgeld in Aussicht gestellt.
    Er hatte einfach zu viele Skrupel, das war immer schon sein Problem gewesen. Chirurg Löbel zeigte sicherlich weniger Bedenken, dem schrecklichen Ereignis beizuwohnen. Wie alle Chirurgen war er fasziniert davon, sein Messer in den menschlichen Körper zu treiben. Arnstein schüttelte angewidert den Kopf. In diesem Moment wurde der schwere Türklopfer betätigt.
    »Es ist so weit«, erklärte von Spießen überflüssigerweise und drängte sich an ihm vorbei ins Innere seiner Praxis.
    Er selbst ging seiner Haushälterin entgegen, die mitten im Flur stand, die Hände in den Hüften. »Schicken Sie Ludwig in die Leopoldstraße zu Hans Löbel und warten Sie nicht mit dem Essen, es wird länger dauern.«
    Doktor von Spießen räumte das Behandlungszimmer für sein Vorhaben um. Der schmale Tisch, der vormals an der Wand stand, war in die Mitte gerückt und der Doktor positionierte soeben den zweiten großen Kerzenständer daneben. Anschließend packte er seine Tasche aus, entnahm ihr einen glänzenden Metallstab, etwa einen Fuß lang und eineinhalb Zoll im Durchmesser. Das eine Ende war mit einer gefährlich anmutenden Spitze versehen, das andere stumpf und etwas verbreitert. Fast liebevoll legte von Spießen das Instrument auf ein Samttuch, dann zog er einen Hammer aus dunklem Holz hervor. Als Letztes förderte er ein Beil ans Tageslicht. Ein lautes Knallen fuhr Arnstein in die Glieder. Die Sargträger hatten die Tür an die Wand geworfen und standen mit ihrer Last unschlüssig in seinem Behandlungszimmer. Von Spießen zeigte auf die frei gewordene Stelle an der Wand.
    »Stellt ihn hier ab, dann geht, esst etwas und haltet euch in zwei Stunden bereit. Ihr müsst noch heute nach Zwinzau aufbrechen.« Während er sprach, fingerte er in seiner Rocktasche. Die Männer verbeugten sich knapp. Der Älteste fing geschickt das Geldstück auf, das Erasmus ihnen zuwarf. Dann waren sie verschwunden.
    »Helfen Sie mir, Doktor.« Von Spießens Stimme war unerbittlich. Längst war er an den Sarg getreten und hatte den Deckel aufgehoben. Arnstein trat näher. Er hatte die Gräfin kaum gekannt, war ihr nur in ihrer Kindheit ab und an begegnet. Das war damals, als seine Frau noch lebte. Arnstein seufzte und betrachtete das wächserne Gesicht. Sie hatte einen schönen Tod gehabt. Das war unverkennbar. Ihr Gesicht lächelte, fast schien es zu strahlen. Die Haut war so weiß wie eine Statue. Ihr raspelkurzes Haar verlieh ihr einen knabenhaften, geradezu unschuldigen Ausdruck. Arnstein erschauderte.
    »Wollen Sie wirklich?«
    Erasmus sah ihn nur kalt an. »Helfen Sie endlich! Ich fasse am Kopf und Sie an den Füßen, und seien Sie vorsichtig, Mann!«
    »Vorsichtig? Was meinen Sie?« Arnstein blickte verwundert auf. Warum klang die Stimme des Leipzigers so seltsam, beinahe, als fürchtete er sich? Er versuchte, hinter die undurchdringliche Miene seines Kollegen zu schauen. Wenn er sich nur besser konzentrieren könnte. Reiß dich zusammen, schalt er sich, war aber froh, als die Gräfin endlich auf dem Tisch lag und er den Raum einen Augenblick verlassen konnte, um den Genever zu holen. Mit der Flasche und drei Gläsern kam er zurück.
    »Auch einen?«
    Von Spießen stand mehrere Schritte von der Toten entfernt. Er hielt ein etwa  handtellergroßes, silbernes Kruzifix vor sich. Jetzt drehte er den Kopf, seine Augen funkelten unruhig.
    Arnstein blickte wie gebannt auf die Szene. Was ging hier vor? Seine Augen hefteten sich auf das Kreuz in der Hand des Doktors. Der andere folgte dem Blick, schluckte, und legte mit einer fast beschämten Geste das Kleinod auf den Leichnam. »Kann nichts schaden«, murmelte er und Arnstein wusste nicht, ob er den Genever oder das Kruzifix meinte. Er schenkte ein, von Spießen streckte seine Hand nach dem Glas aus und trank.
    Sie mussten auf den Chirurgen warten, der seine Zusage nur unter der Voraussetzung gegeben hatte, dass er den entscheidenden Schnitt tun durfte. Nicht, dass Arnstein ihm dieses zweifelhafte Privileg streitig gemacht hätte.
    So standen sie unschlüssig um die Tote herum. Doktor von Spießen

Weitere Kostenlose Bücher