Die Graefin der Woelfe
ein klarer, kalter Morgen, graue Schleier kamen aus ihren Mündern, wenn sie sprachen.
Thomasz blickte zum Schloss. »Das hat sie nun davon. Dieses feudale Schloss, und keiner wird mehr darin wohnen.«
»Ja, wir haben geblutet dafür, und jetzt …«
Beinahe unbewusst lenkten sie ihre Schritte Richtung Falkenfried. Zdenko schloss sich ihnen an und einige andere auch. Immer größer wurde die Gruppe, die von Thomasz und Gafur angeführt wurde. Ihre Schritte hallten auf der breiten, mit dicken Steinen gepflasterten Straße, die einst für vornehme Equipagen angelegt worden war. Dann waren sie oben. Das Gelände war verwildert, das große Portal verschlossen.
Gafur tastete sich um das Gebäude herum und richtig, der Hintereingang war nur notdürftig verriegelt. Ein kräftiger Tritt gegen die Tür und sie konnten eintreten.
Sie standen im Vorratsraum des Schlosses. In den Ecken befanden sich einige Weinfässer und an den Haken hingen ein paar Schinken und Rauchwürste. Thomasz’ Blick heftete sich begierig auf eines der Fässer, aber Gafur zog ihn weiter. Sie waren nicht zum Plündern gekommen. Das stand ihnen nicht zu. Diese Sachen gehörten der Tochter von Graf Wenzel, der ihnen immer ein guter Herrscher gewesen war. Also gingen sie weiter. Der Schmied wusste den Weg zu den oberen Gemächern. Gestützt auf Gafurs Arm führte er die Gruppe an. Zaghaft betraten sie die Treppe, schlichen beinahe ehrfürchtig die Stufen hinauf, Schritt für Schritt, bis sie vor einer breiten Tür standen, die Thomasz erstaunlich vorsichtig öffnete.
Gleißendes Licht blendete sie. Durch unvorstellbar große Fenster schien die Morgensonne, spiegelte sich auf dem blank gewischten Boden und wurde von den kalkweißen Wänden des Schlosses zurückgeworfen. Nach wenigen Schritten öffnete sich der Gang zu einer Galerie. Von hier aus führte eine geschwungene Treppe in die oberen Gemächer.
Plötzlich setzte sich Zdenko an die Spitze der Gruppe. Er erkannte die Stelle aus den zahlreichen Erzählungen seiner Base, die im Schloss gearbeitet hatte.
»Hier hinten muss der Spiegelsaal sein. Er ist seit dem Tode des Grafen abgesperrt, aber hier …«, dabei zeigte er auf den Eingang zu ihrer Rechten, »hinter dieser Tür befindet sich etwas Interessantes für uns.«
Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter. Die Tür öffnete sich leise. Erstarrt blieben sie stehen, starrten mit weit aufgerissenen Augen in die Ahnengalerie. Sie kannten Bilder. Jeder von ihnen hatte schon einmal eine Heiligendarstellung in der Kirche gesehen, oder auch andere Bilder, die auf Märkten feilgeboten wurden. Meist waren es sehr ungenaue Wiedergaben der Wirklichkeit. Schöne Landschaften oder Tiere, und wenn man ein paar Kreuzer mehr auf den Tisch legte, konnte man auch ein paar Veranschaulichungen von nackten Frauen ansehen. Nichts davon jedoch war mit dem zu vergleichen, was sie hier sahen.
Die Malereien waren von einer solchen Echtheit und Lebendigkeit, dass man glauben konnte, die auf ihnen Dargestellten würden jeden Moment aus ihren Rahmen treten.
»Das ist Graf Wenzel, der Ältere«, erklärte der Schmied, der Einzige, der den alten Grafen noch gekannt hatte, »und das hier muss Gräfin Josephine sein, die Mutter des Grafen.« Der Mann daneben, mit dem altmodischen Wams musste der Großvater des Grafen sein. Gafur erblickte viele Gesichter, die meisten kannte er nicht. Beinahe alle hatten die typischen dunklen Locken der Falkensteins sowie deren Grübchen im Kinn.
Neben einem kleinen Gemälde, das Graf Wenzel als jungen Mann darstellte, hing das lebensgroße Bild der Gräfin. Sie stand, auf ein Jagdgewehr gestützt, inmitten einer Hundemeute. Ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen schienen die Männer zu verfolgen. Thomasz stieß einen wilden Schrei aus. »Sie schaut mich an, die Hexe, seht nur, sie schaut mich genau an.«
Gafur trat hinter ihn, legte beschwichtigend die Hand auf seine Schulter. »Schau doch, das tun die anderen auch. Das macht der Maler.« Dennoch schauderte auch ihm. Er ging durch den Raum und überprüfte es eingehend. Egal wo er sich befand, es schien, als blickte sie ihm hinterher.
»Was, wenn sie vom Bild heruntersteigt?«, fragte einer der Männer.
»Wie soll das gehen?«
»Ich will es gar nicht wissen«, erklärte Gafur bestimmt.
Auch Bednar ging durch den Raum. Er kam zurück und trat zu seinem Sohn. »Sie schaut einem wirklich hinterher. Das ist unheimlich. Wir müssen etwas tun.«
Zdenko wich vor der Erwartung seines
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