Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
Vom Netzwerk:
jedes Wort ins Gesicht geschlagen. War nicht er derjenige, der die Wissenschaft immer geehrt hatte? Er, der gegen Aberglaube und Unwissenheit gekämpft hatte? Und nun, nun sollte er derjenige sein, der ein abergläubiges Werk verfasst hatte? Das konnte nicht sein. Er hatte Studien durchgeführt, hatte Experimente vorgenommen, war vor Ort gereist, hatte sich immer wieder hinterfragt. Rasch sammelte er sein Manuskript ein und packte es wieder in die Hülle. »Es wird noch andere Verleger in dieser Stadt geben.«
    »Sie werden keinen finden, der das Buch verlegt.« Der Buchhändler schüttelte bedauernd den Kopf, eilte vor ihm her und öffnete ihm die Tür.
    Einsam schritt er durch Wien. Die Stadt war ihm fremd geworden, groß und laut. In den vergangenen Stunden war er überall gewesen, aber keiner wollte sein Manuskript auch nur anfassen. Sie hatten ihn ausgelacht, ihn einen alten Spinner genannt, einen »Ewig Gestrigen«. Dabei war das, was er gefunden hatte, fortschrittlich.
    Erasmus fühlte sein Herz, es stolperte und mit ungeahnter Wut schritt er weiter aus. Ewig gestrig – er, der Wissenschaftler, der sich als Einziger getraut hatte, neue Wege zu gehen. Er war einer der brillantesten Geister in Leipzig gewesen. »Da war dieser Ranft kaum geboren«, schimpfte er laut. »Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Sie war besessen.« Das Atmen wurde immer schwerer, sein Brustkorb schien zusammenzufallen.
    »Ist Ihnen dieses Ding groß genug?« Das war Löbels Stimme.
    Erasmus blieb unvermittelt stehen, blickte um sich.
    Wie aus dem Nichts kam ein Schlag, es wurde dunkel um ihn, alles verschwand. Nach einer Weile kam der Himmel wieder, Wolkenfetzen, grau in grau.
    »Können Sie mich hören? Mein Herr, hören Sie mich?«
    Wer sprach?
    »Wer konnte denn damit rechnen, dass der alte Schwachkopf einfach stehen bleibt. Mitten auf der Straße. Der kann froh sein, wenn er noch lebt.«
    Ein fremdes Gesicht. »Gräfin? Sind Sie es?«
    »Na, ich bin keine Gräfin, seh’ ich etwa aus wie ’ne Gräfin?«
    Ein zahnloses altes Weib beugte sich über ihn und lachte schallend. Dann ein weiteres Gesicht, jünger diesmal, ein Mann. »Na, Professor, sind Sie wieder bei uns? Können Sie aufstehen?«
    Konnte er aufstehen? Er nickte schwach und zwei kräftige Männerhände zogen ihn auf die Füße. Sie hielten ihn fest, Erasmus blickte um sich. Er stand mitten auf der Straße, ein Pferdefuhrwerk hielt ein paar Schritte neben ihm. Das Tier war unruhig, tänzelte aufgeregt hin und her. Das Fuhrwerk war mit Fässern beladen. Der Kutscher schimpfte und zeigte auf ihn. Der Mann, der ihm aufgeholfen hatte und die Frau mit dem lückenhaften Gebiss führten ihn über die Straße. Der Kutscher schrie zu ihm herüber.
    »Sei froh, dass ich dich nicht in Regress nehme, alter Trottel. Aber ich will nicht so sein. Geh nach Hause, setz dich hinter den Ofen.«
    Der Fremde drückte ihm seine Tasche, die er bei dem Sturz verloren hatte, in die Hand. »Kommen Sie, ich bring Sie nach Hause, ist es weit von hier?«
    Zu Hause, wo war das? Er schüttelte den Kopf. »Ich geh allein, danke.« Unter den skeptischen Blicken der Passanten schritt er davon, setzte einen Fuß vor den anderen, wusste nicht, wohin er sich wenden sollte. Sein linker Arm fühlte sich kalt an, das Atmen fiel ihm schwer und er hörte Löbels Lachen. Er konnte sich nicht geirrt haben, es durfte einfach nicht sein. Erasmus schnappte nach Luft, sein Herz klopfte ihm gegen die Brust und namenlose Angst machte sich in ihm breit. Er hatte alles überprüft, ihre Reaktion auf das Kruzifix, auf den Spiegel. Was hätte es anderes sein sollen? In seinem Kopf rannten die Gedanken gegeneinander an, einzig der Schmerz in seiner Brust brachte sie zur Ruhe, er brachte ihm Linderung.
    Erasmus krümmte sich zusammen, blieb stehen, hielt sich an einer Mauer fest. Er befand sich in einer ruhigen Straße, die er kannte. Dort vorn war das Haus von Doktor Arnstein.
    Die Tür öffnete sich, eine junge Frau trat heraus. Sie nickte ihm freundlich zu, dann eilte sie die Straße entlang. Er zog sich die Treppe hinauf, ergriff den schweren Türklopfer. Da sah er das Namensschild. Es war ein fremder Name. Erasmus schloss die Augen. Sein Magen zog sich zusammen, ihm wurde übel. Er fühlte sich schwach und setzte sich auf die Stufen. Er hatte noch immer das Manuskript in der Tasche, nahm es heraus und bettete seinen Kopf darauf. Ausruhen, einfach nur ausruhen.
     

Epilog
    Frühling 1745
     
     
     
    E s war viel

Weitere Kostenlose Bücher