Die Graefin der Woelfe
den Rückweg eines der Pferde zur Verfügung stellen. Ich bin fast die ganze Strecke von Schloss Torgelow bis hierher geritten und ich muss sagen, ich habe mich niemals so frei gefühlt.«
Was wagte sie sich? Glaubte sie etwa, er könne sich kein Reittier leisten? Ehe er die passende Erwiderung für diese Frau gefunden hatte, fasste Graf Wenzel ihn am Arm und zog ihn mit. Über seine Schulter rief er: »Meine liebste Gattin, sagen Sie doch bitte Krysta Bescheid, dass sie die Kammer für Doktor von Spießen richtet. Ich hoffe, lieber Doktor, Sie werden einige Tage bleiben?«
*
Amalia konnte die Antwort des Mediziners nicht mehr hören. Kopfschüttelnd wandte sie sich zur Burg. Was für eine seltsame Gestalt, und wie streng er aussah in seinem schwarzen Talar, doch er war ein Freund Wenzels. Sie würde ihn mit offenen Armen empfangen.
Im Innern der Burg traf sie auf Marijke. Die sonst so geduldige Zofe saß mit unglücklichem Gesicht auf einer der schweren Eichenbänke in der großen Halle und fror, überdeutlich, auf dass es auch jeder mitbekommen sollte. Krysta hatte ihr bereits einen Becher mit heißem Würzwein gebracht, ein Getränk für frostige Winterabende.
Amalia rief nach der Verwalterfrau, unterrichtete sie von Wenzels Wunsch und gesellte sich dann zu ihrer Zofe. »Nun komm schon. Was machst du denn für ein Gesicht? Komm mit nach draußen, in der Sonne ist es herrlich warm. Kein Wunder, dass du frierst, wenn du hier in dem kalten Gemäuer sitzt.« Sie versuchte, Marijke hochzuziehen, die bewegte sich jedoch keinen Zoll.
»Es ist besser, wenn ich mich gleich daran gewöhne, dass es kalt ist und feucht und zugig. Was glauben Sie denn, Prinz…, Verzeihung, Frau Gräfin, wie eisig es hier erst im Winter sein wird?«
»Sag nur weiter Prinzessin zu mir, dann weiß ich, dass du noch du bist und ich noch ich. Aber nun komm mit nach draußen. Es duftet herrlich und der Winter ist weit. Komm schon!« Diesmal zog sie heftiger an der deutlich kleineren Marijke, sodass diese sich nicht mehr wehren konnte. Gemeinsam schritten sie in den Rosengarten, der in voller Blüte einen wunderbaren Duft verbreitete.
Amalia behielt recht. In dieser schönen Umgebung konnte Marijke ihren Unmut nicht länger pflegen. Vertraut hakte sie sich bei Amalia unter.
»Es stimmt schon, Prinzessin, die Landschaft und die Rosen sind wirklich schön und der Graf und seine Bediensteten sind fast alle sehr nett. Es ist nur schade, dass die arme Krysta mit so einem ungehobelten Menschen wie dem Conrad verheiratet ist.« Marijke blieb stehen und holte tief Luft. »Im Winter wird es hier sehr kalt und dunkel werden. Ach, und wir können nicht einmal die schlimmsten Tage in Wien verbringen. Ich glaube nicht, dass der Graf eine Residenz in der Kaiserstadt hat.« Augenblicklich hielt sich Marijke die Hand vor den Mund und sah ihr abbittend in die Augen.
Amalia wusste, dass ihrer Zofe der Satz unüberlegt über die Lippen gekommen war, dennoch ärgerte sie sich über die anmaßende Bemerkung. »Mein Gemahl verbringt viel Zeit in Wien, er wird dort sicherlich ein Stadthaus haben. Vielleicht sogar eines der schönen neuen Häuser, die überall gebaut werden.« Noch immer leicht verärgert ließ sie den Blick über die Ebene schweifen in jene Richtung, in der sie Wien vermutete.
»Es tut mir leid, Frau Gräfin«, stammelte Marijke.
Amalia wollte ihr nicht lange böse sein, doch einen Augenblick sollte sie noch in ihrem schlechten Gewissen schmoren.
Hinter Marijke ragte ein Teil der alten Trutzburg auf, den die hoch stehende Sonne ohne Scham ausleuchtete. Große Löcher verunzierten die Mauern und in dem unbewohnten Bereich des Palas waren alle Fenster kaputt. Amalia erschrak. Zum ersten Mal sah sie die Burg, wie sie wirklich war. Sie vergaß die verunsicherte Zofe und ging ein paar Schritte auf die Mauern zu. Sie hatte in Wien weniger zerstörte Häuser gesehen, die abgerissen und durch prächtige Bauten ersetzt worden waren.
Plötzlich kam ihr eine Idee, setzte sich mit Macht in ihr fest. Ihr Herz tat einen fröhlichen Sprung. Während sie zu Marijke zurückging, überschlugen sich ihre Gedanken. Es war gewagt, was sie sich erträumte. »Sie ist so baufällig, da kann er gar nicht anders«. Erschrocken bemerkte sie, dass sie die Feststellung ausgesprochen hatte. Zum Glück leise genug, dass Marijke es nicht hören konnte.
Wenige Tage später kletterte Amalia auf einen kleinen Hügel hinter der Burg. Sie raffte ihre Röcke und
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