Die Graefin der Woelfe
ein spöttisches Lächeln in den Mundwinkeln. »Üblicherweise kümmere ich mich nicht um das, was die Leute tun, aber diesmal … Es schickt sich nicht für eine Dame von Stand. Und dann dieses Untier – mehr ein Wolf denn ein Hund. In so einer Situation, und wo der freundliche Herr so besorgt gefragt hat, breche ich ausnahmsweise mein Schweigen.«
Die Frau mit den listigen Augen schien sich vor Lachen kaum noch aufrecht halten zu können. Erasmus konnte sich ausmalen, warum. Ihre Freundin Dagomar wirkte keineswegs wie eine, die sich nicht um die Angelegenheiten anderer kümmerte.
»Ihr glaubt also, das Kind ist verhext?«, insistierte er, begierig, zu hören, was Dagomar noch zu vermelden hatte.
»Ich weiß nur, was ich gesehen habe«, gab sie schlau zurück. »Die Mutter hat sich vor einem Wolf erschreckt, oder wenigstens sah es aus wie ein Wolf, und das Kind hat einen Wolfsrachen. Wenn das Hexerei ist, bitte.«
Erasmus nickte. Similia similibus solvuntur . Gleiches löst sich im Gleichen. Er ließ den Blick von der einen zur anderen schweifen. Keine schien noch etwas auf dem Herzen zu haben, offensichtlich hatten die Frauen alles erzählt, was es zu erzählen gab. »Nun sagt mir also, wo finde ich die arme Frau und ihr bedauernswertes Kind?«
Dagomar beeilte sich, ihm den Weg zum Schusterhaus zu erklären. Erasmus kannte sich in dem Dorf aus, das er mehrmals im Jahr durchwanderte. Er versprach, nach Kind und Wöchnerin zu sehen und verließ die Weiber, deren aufgeregtes Schwatzen hinter seinem Rücken erneut anhob.
Ein Junge von ungefähr zehn Jahren öffnete die Tür des Schusterhauses. Bewegungslos blieb er vor Erasmus stehen.
»Na los, lauf schon und melde mich der Dame des Hauses«, erklärte er freundlich, aber bestimmt.
Wortlos zeigte der Knabe ins Innere. Erasmus folgte dem Wink. Wenig später stand er vor Libuse und ihrem Kind. Er hatte schon viele entstellte Kinder gesehen. Auch diese Form der Verstümmelung war ihm bekannt, doch niemals hatte er sie in dieser Intensität erblickt. Zwischen Nase und Mund des Knaben gähnte ein tiefes Loch. Das Kind hatte keine Oberlippe, Kiefer und Gaumen waren gespalten, weswegen der Junge nicht trinken konnte. Er untersuchte den Säugling eingehend und fand ihn außerhalb der Verstümmelung in einem gesunden, wenn auch sehr kraftlosen Zustand. Die Schwäche war eine Folge der Unterernährung, da war er sich sicher, und daran würde der Knabe auch bald sterben. Hier konnte er nicht helfen, höchstens lindern.
Mit wenigen Worten erklärte er der Mutter, wie sie die Milch aus ihrer Brust hinausstreichen und dem Kind über ein sauberes, mit Muttermilch vollgesogenes Tuch verabreichen konnte. Auf diese Weise würde Nepomuk deutlich mehr von der rettenden Nahrung in seinen hungrigen kleinen Bauch bekommen.
Wenig später verließ er das Haus. Es war nicht das erste Mal, dass ihn das Elend der einfachen Leute erschütterte. Mit zwiespältigen Gefühlen machte er sich auf den Weg zur Burg und fand den glückstrahlenden Ehemann und seine junge Braut müßig auf einer Bank unter einem uralten Kirschbaum sitzen. Als er näher kam, erhob sich Graf Wenzel.
»Von Spießen, schön, Sie zu sehen. Darf ich Ihnen meine wunderbare Gattin vorstellen? Gräfin Amalia Charlotte von Falkenstein.« Lächelnd nahm sein Freund Amalias Hand. »Und das, meine Liebste, ist Doktor Erasmus Martin von Spießen, des Kaisers liebster Quacksalber … und meiner auch«, fügte er mit einem Zwinkern hinzu.
Erasmus knirschte innerlich mit den Zähnen. Wie konnte Graf Wenzel in Gegenwart dieses Weibes derart respektlos von ihm sprechen? Am liebsten hätte er deren ausgestreckte Hand übersehen, doch er wollte gute Miene machen.
»Hochedle Dame, ich bin überaus erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen. Stets zu Euren Diensten.« Er deutete eine knappe Reverenz an, für eine Gräfin ausreichend, für eine Fürstentochter deutlich zu knapp gehalten.
Gräfin von Falkenstein tat freundlich. »Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise. Kümmert sich unser Stallmeister bereits um Euer Pferd?«
Das Gesicht des Grafen verzog sich zu einem entstellenden Grinsen.
Innerlich schüttelte er sich. »Vielen Dank, aber ich habe kein Reittier dabei, ich pflege wie unser Herr per pedes apostolorum zu reisen.«
Sie schien ihn nicht zu verstehen, oder nicht verstehen zu wollen. Leichtfertig, wie es ihrem Geschlecht entsprach, fuhr sie fort.
»Ach, das ist aber schade. Mein Mann wird Ihnen sicherlich für
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