Die Graefin der Woelfe
zwängte sich vorbei an Dornen und Gestrüpp. Ihr Kleid verfing sich in einem Brombeerstrauch. Es gab einen ordentlichen Riss. Den würde sie sich von einer Leibmagd flicken lassen, Marijke würde nur Ärger machen, worauf sie allerdings keine Rücksicht nehmen wollte.
Es ging um wichtigere Dinge.
Sie würde die Burg umbauen lassen, nach eigenen Plänen. An ihrem auserwählten Baumstamm angekommen, begann sie zu zeichnen. Zwei Ansichten der alten Burg hatte sie bereits in ihrem Notizbuch verewigt, viele weitere mussten folgen.
Ihr Blick schweifte in die Ferne. Mit weitem Herzen dachte sie an ihren alten Lehrer zurück. Vater hatte darauf bestanden, dass sie in den »Sieben freien Künsten« unterrichtet wurde. Etwas, gegen das selbst Walpurga nichts ausrichten konnte, seit es in »tout Paris« Mode war, Mädchen ausbilden zu lassen. Sie würden dadurch bessere Mütter werden, war die einhellige Meinung der Franzosen.
Das Steckenpferd ihres Lehrers war die Architektur. Amalia hatte die Kuppel des Petersdoms so oft gezeichnet und berechnet, dass sie es sogar im Schlafe noch könnte.
Jetzt skizzierte sie die Ansichten der baufälligen Burg, um sich in aller Ruhe die Änderungen zu überlegen. Erst als die Sonne so tief stand, dass sie nichts mehr erkennen konnte, nahm sie ihr Buch und huschte zurück in den Rosengarten. Von hier aus schlenderte sie in die Burg, als wäre nichts gewesen.
Am Abend saß sie in der Halle und schrieb und rechnete in ihrem Buch. Dabei achtete sie beflissen darauf, dass niemand einen Blick hineinwerfen konnte. Als Wenzel einmal versuchte, ihr über die Schulter zu spicken, hielt sie das Buch mit beiden Händen gegen ihren Körper und erklärte feierlich: »Es handelt sich um ein Geheimnis, mein Gemahl. Bitte lassen Sie mir die kleine Freude, ich werde es Ihnen bald zeigen.«
*
Marijke beobachtete die tuschelnden Dienstmägde und die feindlichen Blicke der Lakaien, wenn Amalia abends in der Halle in ihr Buch schrieb. Sie wusste nicht, woher der Unmut der Bediensteten kam, aber sie war gewappnet, als Krysta an einem späten Nachmittag in ihre Kammer trat.
Zaghaft tastete sich die Hausdame an ihr Anliegen heran. »Man hat mir erzählt, die Gräfin habe eine glückliche Hand bei der bildlichen Darstellung. Sie soll wunderbare Bilder zeichnen können.«
»Oh ja, das kann sie in der Tat. Mir wäre es jedoch lieber, sie würde Stickvorlagen anfertigen, die dann jeder sehen kann.«
Krysta nickte. »Wie ich höre, soll sie Zeichnungen von der Burg anfertigen.«
Marijke blickte auf. Das war es also.
»Die Gräfin malt verschiedene Ansichten der Burg und versieht sie mit Zahlen und Schriftzeichen. Ausgerechnet meine abergläubigste Leibmagd hat das Heft gefunden und faselt nun von Teufelswerk und Satanskult.«
Marijke schrak zurück, als hätte sie jemand mit Höllenkräften an die Wand geschleudert. Kalter Schweiß trat auf ihre Stirn, sie rang nach Luft. Krysta eilte zu ihr, dass die Bänder ihrer Haube flatterten, und reichte ihr ein Fläschchen Riechsalz unter die Nase.
»Ganz ruhig. Haben Sie keine Angst. Das ist zwar beängstigend, aber wirklich gefährlich ist es noch lange nicht.«
Marijke griff ein Glas Wein und trank gierig. Endlich wurde sie ruhiger. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren, durfte nicht versagen. Diesmal nicht. Sie schloss die Augen und atmete langsam aus. »Ist die Kunde bereits ins Dorf gelangt?«
Krysta nickte. »Ich fürchte, schon. Die Magd hat ihre Familie im Dorf und ist sehr geschwätzig. Ich habe überlegt, sie zu entlassen, hielt dies jedoch für keine gute Idee. Sie ist dumm, wird bald schwanger werden, das gibt mir den besseren Vorwand.«
Das war gut. Ihr Magen entkrampfte sich. Mit solch einer Verbündeten an ihrer Seite fühlte sie sich stark, überlegen. Jetzt galt es, zunächst mit Amalia zu sprechen. Alles in Ruhe, nur keine schlafenden Hunde wecken. Wenn sie das nicht wusste, die sie so lange bei den Hundezüchtern in Torgelow gewohnt hatte, wer dann? Marijke gelang fast wieder ein Lächeln. Zögerlich legte sie die Finger auf die raue Hand der Hausdame.
»Ich muss mit Ihnen reden, Frau Gräfin.« Marijke erwischte Amalia, als sie im Begriff war, mit ihrem Buch im Garten zu verschwinden.
»Oh, wenn du mich Frau Gräfin nennst, dann ist es bestimmt ernst. Nicht wahr, Marijke?«
Ihr war nicht zum Scherzen zumute und das besserte sich auch durch die Quengelei der Prinzessin nicht.
»Was bist du so ernst? Die Sonne scheint. Alles
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