Die Graefin der Woelfe
Liebe aus. »Das ist überwältigend«, erklärte er mit ungewohnt leiser Stimme und führte ihre Hand an seine Lippen.
Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
Wenzel zeigte mit dem Finger auf eine der Zeichnungen. »Das ist genau diese Stelle hier, ich erkenne sogar die kleinen Sträucher vor der Kirche. Du bist eine Künstlerin.«
Sie nahm ihm das Buch aus der Hand und blätterte ein paar Seiten weiter, wagte kaum zu atmen, als sie es ihm wieder reichte.
Wenzel blickte hinein, hob den Kopf und blickte auf die Burg. »Das ist die gleiche Stelle. Ich erkenne sie und doch nicht. Es sieht aus wie ein Schloss und die Kirche hat einen neuen Turm.« Amalia nickte, während Wenzel fortfuhr. »Und du glaubst, dass wir Falkenfried so umbauen können?«
»Ja«, sagte sie knapp, denn noch immer klopfte ihr Herz so wild, dass sie kaum einen Ton hinausbekam. Wenzel vertiefte sich erneut in die Zeichnungen. Amalia wusste, dass es kühne Entwürfe waren, aber sie schienen ihm zu gefallen. Mit Stolz beobachtete sie, wie er hin und her lief und immer wieder aufs Neue Realität und Malerei verglich. Nach schier endloser Zeit blickte er auf.
Wenzel trat auf sie zu, nahm sie in den Arm, hob sie hoch und wirbelte sie im Kreis herum. Atemlos ließ er sie zu Boden. Ihre Röcke waren in Unordnung geraten und eine Strähne ihres Haares hatte sich gelöst.
*
Margeth machte sich Sorgen. Sie hatte schon von Fehlgeburten gehört, die durch das Reiten ausgelöst wurden. Wie es schien, war sie keine Frau, die leicht empfing, da sollte sie kein unnötiges Risiko eingehen. Margeth nahm sich vor, mit der Gräfin zu sprechen, sobald sie die Gelegenheit bekam. Das jedoch schien erst mal in weite Ferne zu rücken.
Von Weitem erblickte sie Dagomar und Gawril. Die Bäuerin, die der Kutsche und dem Zug kopfschüttelnd nachgeblickt hatte, stemmte ihre Hände in die Hüften. Laut und vernehmlich ließ sie ihre Stimme erschallen.
»Ich weiß, wo sie hinfahren.« Niemand reagierte. »Hast du nicht gehört, Gawril? Ich weiß, wo sie hinfahren! Sie sind auf dem Weg nach Wien, um einen Baumeister zu dingen. Die Burg soll umgebaut werden.«
»Wurde auch Zeit.« Das war eine typische Antwort für den gutmütigen Gawril, der sich anschickte, wieder in seine Scheune zu kommen.
Es war Herbst, viel zu tun, der Winter wollte überstanden sein.
»Es scheint dich nicht besonders zu kümmern, was aus uns wird«, keifte Dagomar hinter ihm her.
Achselzuckend blieb Gawril stehen. Jeder wusste, wenn Dagomar in dieser Stimmung war, gab sie nicht eher Ruhe, bis sie gesagt hatte, was sie sagen wollte. Margeth trat näher und auch der alte Zdenko hatte sich zu den Zuhörern gesellt.
»Los, sag schon, was du zu sagen hast, Weib. Wir haben alle noch eine Menge Arbeit.«
»Ich hab’s von meiner Tante, die hat es von ihrer Tochter Elsbeth, und die hat es selbst gesehen. Da oben …«, Dagomar zeigte mit dem Kinn in Richtung Burg, »… gehen seltsame Dinge vor. Die Gräfin rennt den ganzen Tag mit einem Buch in der Hand herum und malt Zeichen …«
»Warum sollte sie das tun?«, unterbrach Gawril sie.
»Warum wohl, du Hornochse?«
Zwei weitere Dorfbewohner waren stehen geblieben und stießen sich feixend in die Seiten.
»Was denkst du wohl? Warum schreibt einer seltsame Zeichen auf?« Die Bäuerin blickte in die Runde der Versammelten, als wollte sie deren Wissen prüfen.
Zdenko endlich murmelte vor sich hin. »Sie wird sich vor dem bösen Blick schützen.«
Triumphierend blickte Dagomar in seine Richtung, dann wiegte sie bedächtig den Kopf hin und her. »Kann sein, kann aber auch nicht sein. Meine Nichte sagt, dass die Gräfin ein riesiges Schloss bauen will und die Pläne dafür zeichnet. Wer hätte denn so etwas schon einmal gehört? Ein Weib, das Baupläne zeichnet!« Sie verdrehte dramatisch die Augen.
Jetzt kam Leben in die kleine Gruppe.
»So sind sie, die hohen Herrschaften. Bauen sich teure Schlösser, und wer soll’s bezahlen?«
Die Leute nickten.
»Vor allem, wenn die Pläne von einem Weib gezeichnet werden. Das wird nichts Gutes werden.«
Margeth schwieg. Sie wusste nicht, was sie zu all dem sagen sollte. Gerade Dagomar mischte sich in alles ein, was ihr Gawril tat. Würden die beiden einen neuen Stall bauen, würde Dagomar dem Gawril bei jedem Stein dazwischenreden. Aber dafür brauchte sie keine Zeichnungen. Es konnte einfach nicht richtig sein, dass sich eine Frau mit solch schwierigen Dingen herumschlug, dafür waren die
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