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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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den Knaben, abzusitzen und platzierte seinen Vorderlader auf dessen Schultern. Offensichtlich hatte er ein Tier entdeckt, das er erlegen wollte. Amalia wollte den jungen Mann nicht stören und drückte sich noch mehr ins Unterholz. Gleichzeitig ging ihr Blick in die Richtung, in die er zielte. Ein silbernes Schimmern verriet den Wolf, der wenige Schritte entfernt im Windschatten stand.
    Amalia reagierte augenblicklich. Ehe der andere einen Schuss abgeben konnte, trieb sie ihr Pferd nach vorn. »Halt«, schrie sie.
    Bursche und Jäger drehten sich verwundert um, der Wolf verschwand.
    »In diesem Wald wird nicht auf Wölfe geschossen.« Amalia registrierte, dass ihre Stimme fest und sicher klang. Sie wendete ihr Pferd und verschwand ins Unterholz. Die Reaktion des gestörten Jägers interessierte sie nicht.
    Erst am späten Nachmittag fand die Jagd ihr Ende. Das Wildbret, das sie erlegt hatten, füllte ein Dutzend Ochsenfuhrwerke. In Küche und Keller würde nun die eigentliche Arbeit beginnen. Hier wurden Felle über Ohren gezogen, Fleisch gesalzen, gesotten und geräuchert, Würste und Suppen gemacht. Das eine oder andere Stück würde auf nicht geraden Wegen geradewegs in die Küche einer fleißigen Bäuerin aus dem Dorf wandern, doch es waren so viele Hasen, Rehe, Wildschweine und Fasane, dass ihr diese Umverteilung nichts ausmachte.
    Gut gelaunt versammelten sich ihre Gäste im glänzenden Spiegelsaal, um ein üppiges Mahl zu genießen.
     
    *
     
    Erasmus saß am unteren Ende der Tafel. Seine Kehle begann zu brennen, wann immer er zu von Hildebrandt blickte, der einen Platz in der Nähe des Grafenpaares innehatte. Erasmus hatte gute Lust, das hervorragende Essen zu verschmähen, das beinahe kalt war, ehe es zu ihm gelangte. Seine Position hätte sich viel weiter oben an der Tafel finden müssen, schließlich war er der Leibarzt des Grafen und vieler anderer, hoch angesehener Persönlichkeiten.
    Bemüht, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen, hörte er mit halbem Ohr der hageren Dame zu seiner Linken zu. Sie schilderte in bildhaften Einzelheiten die dunklen, stets wachsenden Flecken, die sich an ihrem Brustansatz zeigten, und die sie mit immer größeren Mengen Bleiweiß zu verdecken suchte. Halbherzig gab er ihr den Rat, unter den Puder gemahlene Krebsaugen zu geben. Dabei versuchte er, nicht in ihren Ausschnitt zu blicken, den sie ihm freimütig darbot.
    Erasmus glaubte bereits, vor Langeweile zu vergehen, als Gesprächsfetzen zu seiner Rechten seine Aufmerksamkeit erregten. Von kauenden und schmatzenden Toten war die Rede. Er spitzte die Ohren.
    »Sie sind also der Meinung, lieber Herr Ranft, dass gar nicht der schmatzende Tote selbst, sondern allein die Furcht vor ihm die Menschen sterben lässt?«, ereiferte sich ein Weib und wagte sich auf ein Gebiet vor, das den weiblichen Geist völlig überforderte. Ihrem Gesprächspartner schien dies nichts auszumachen. Er schickte sich an, seine Ausführungen weiterzutreiben.
    »Bereits Joseph Scaliger schrieb über die Macht der Einbildung, werte Dame«, warf Erasmus ein.
    Wie er vorausgesehen hatte, blitzten die Augen des jungen Mannes erfreut auf.
    »Oh, ich habe es mit einem Mann der Wissenschaft zu tun. Gestatten, Michael Ranft, Magister und Hofmeister in Gröditz.« Der junge Mann deutete eine zackige Verbeugung an. »Ich bin auf dem Wege nach Ungarn, wo ich einem ganz außergewöhnlichen Phänomen auf der Spur bin.«
    Endlich hatte Erasmus einen würdigen Gesprächspartner gefunden. Er kümmerte sich nicht weiter um die Dame mit den dunklen Flecken.
    »Erasmus Martin von Spießen, Leibarzt des Grafen und Freund der Wissenschaften. Erzählen Sie mir mehr über Ihre Arbeit?« Er heftete seinen Blick auf den jungen Wissenschaftler.
    Ranft lehnte sich zurück. »Mir scheint, wir sind beinahe Kollegen, da will ich mich nicht lange bitten lassen. Also, vor einiger Zeit habe ich Kunde bekommen von Geschehnissen, die sich in den Dörfern Medvedga und Kuchlina zugetragen haben.
    Dort sind Blutsauger, in der türkischen Sprache Vampire, gesehen worden, die in kürzester Zeit Menschen und Vieh ruiniert haben. Ich hatte mich gerade mit den unterschiedlichsten Quellen zu den Ereignissen beschäftigt, als man mir Mitteilung über ein Vorkommnis machte, das sich erst kürzlich in Ungarn ereignet hat.« Der junge Mann trank seinen Becher leer und stellte ihn ab. Ein Mundschenk beugte sich über ihn, aber Ranft schien ihn nicht zu bemerken. Stattdessen erzählte er weiter.

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