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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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Volkes.
    Dies hier war etwas anderes.
    Die Männer, die sich hier ernsthaft mit diesem Phänomen beschäftigten, waren hoch angesehene Wissenschaftler. Sie wussten, wovon sie sprachen, kannten die Natur und das Wesen der Menschen. Darüber hinaus bezeugten hochrangige Persönlichkeiten, dass dem Toten in Ungarn frisches Blut aus dem Mund gekommen war. Amalia würgte.
    So rasch es die strenge Etikette erlaubte, eilte sie aus dem Saal. Auf dem Flur griff sie nach einem Weinkühler und übergab sich.
    »Was ist geschehen, Prinzessin, habt Ihr zu viel gegessen?« Marijkes Stimme erreichte sie und brachte sie zurück in eine Realität ohne schmatzende Tote.
    Amalia lächelte über die Anrede, die nicht mehr zu ihr passen wollte. Schließlich war sie beinahe vierzig Jahre alt, ihre Hüften waren breiter geworden und um den Mund hatte sich ein bitterer Zug eingeschlichen. Auch an der treuen Zofe gingen die Zeichen nicht vorbei. Ihr Haar war mit Silberfäden durchzogen, und Mund und Augen von feinen Fältchen umrahmt. Jetzt blickten die sanften, braunen Augen voller Sorge. Marijke reichte ihr den Arm.
    »Wollen Sie sich vielleicht auf Ihre Kammer zurückziehen? Ich werde Sie bei dem Grafen entschuldigen. Der Abend ist so weit vorangeschritten, dass es kein großes Aufsehen erregen würde.«
    »Vielen Dank, aber es geht gleich wieder. Ich brauche nur etwas frische Luft. Bitte begleite mich doch nach draußen.« Nach einigen tiefen Atemzügen ging es ihr besser.
    Dennoch nahm sie von dem wunderbaren Sorbet nur noch ein bescheidenes Löffelchen, sie hatte keinen Appetit mehr.
    Der Kaffee wurde in zwangloser Runde im trophäengeschmückten Jagdsalon aufgetragen. Auf Tischchen und Vitrinen standen etliche ausgestopfte Tiere und an den Wänden hingen zahllose Geweihe, darunter einige mächtige Zwölfender.
    Die beiden Wissenschaftler standen an einem der bodentiefen Fenster, die auf den herbstlichen Garten hinausgingen. Sie waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie nichts um sich herum wahrnahmen.
    »Wie bereits Theodor Craanen erklärte, gehört unser Leben nicht zur Seele, sondern vielmehr zum Körper. Schließlich ist es offensichtlich, dass auch andere, vernunftlose Körper wie die der Tiere und Pflanzen Leben aufweisen«, dozierte Ranft.
    »Sie haben völlig recht, lieber Kollege. Aus Genesis zwei, Vers sieben, wird uns das deutlich. Dann bildete Jahwe Gott den Menschen aus Staub von dem Erdboden und blies in seine Nase einen Lebenshauch. Daraus lässt sich zweifelsohne erkennen, dass der Körper vor dem göttlichen Hauch geformt war, und wer will etwas dagegen sagen, dass in diesem Körper bereits das Blut Adams pulsierte«, antwortete Erasmus mit vor Eifer glühenden Wangen.
    Amalia hörte den Wissenschaftlern zu, ihr Herz klopfte und ihr Atem ging unregelmäßig.
    Nun war Magister Ranft wieder am Zuge. »… nicht zu bestreiten ist jedenfalls, dass das ungarische Erdreich sehr geeignet ist, den Körper eine Zeit lang vor Verwesung zu bewahren«, schloss er eine längere Abhandlung über die unterschiedlichsten Bodenbeschaffenheiten und ihre Auswirkungen auf unbeseelte menschliche Körper.
    »Demzufolge, Herr Ranft, dürfte in Ungarn eine nicht verweste menschliche Leiche keinerlei Verwunderung auslösen, was diese hier zweifelsohne tat«, trumpfte Erasmus auf.
    Der Magister wiegte sanft den Kopf hin und her, eine Geste, die angesichts seiner Jugend unerwartet kam. »Es gibt da noch eine andere Sache, die für mich die angeblichen Heimsuchungen durch den Toten erklären würde«, erklärte er mit großer Gelassenheit. »Plogojowitz ist ohne Zweifel an keiner auszehrenden und langwierigen Krankheit gestorben. Mich würde es nicht Wunder tun, wenn der Mensch eines gewaltsamen Todes, vielleicht sogar durch die Hände derer, die ihm auf dem Fuße gefolgt sind, gestorben wäre. Es gibt beispielsweise, wie Seneca bezeugt, eine Giftart, die das Opfer zwar tötet, den Körper jedoch vor der Verwesung bewahrt.«
    Erasmus’ Augen blitzten. Er legte die Stirn in Falten und schob den Kopf so weit nach vorn, dass er einer Schildkröte glich. »Sie meinen also, Magister, dass wir es hier mit einem Gift zu tun haben, das die Seele tötet und den Körper verschont?«
    »Lieber Herr Doktor, der Mediziner sind Sie. Ich kann Ihnen nur sagen, was Seneca bezeugt. Meiner bescheidenen Ansicht nach ist es für den Körper eines Menschen nicht möglich, ohne die Seele weiterzuleben.«
    »Haben Sie jemals in die Augen eines Blödsinnigen

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