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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Falk
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dazwischen. »Wir haben eine Mission zu erfüllen, danach kannst du mit der Hebamme dein Weibergeschwätz weiterführen.« Sprachs und versuchte, an Margeth vorbeizukommen.
    Erneut richtete sich Sixtus auf. Diesmal ließ er laut und vernehmlich ein Knurren hören.
    Margeth schlug das Herz bis zum Hals. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Jakobus den Vorderlader anlegte. Sie musste vorsichtig sein, durfte ihre Angst nicht zeigen. Mit fester Stimme richtete sie das Wort erneut an den Schuster.
    »Und du, Thomasz, wie geht es Libuse? Hat ja eine leichte Schwangerschaft. Genau wie beim letzten Mal. Ein schönes Mädchen ist es geworden und so gesund und munter.«
    »Mich schüchterst du mit deinem Weibergeschwätz nicht ein. Lass mich endlich durch und dem Spuk hier ein Ende machen. Wie viele Kinder sollen noch entstellt zur Welt kommen, weil diese Höllenbrut ihr Unwesen treibt?«
    »Hast du nicht etwas zu erzählen, Thomasz? Oder willst du lieber, dass ich das mache?« Margeth starrte dem Schuster in die Augen. Noch schien er nicht zu verstehen, was sie meinte.
    Er beugte sich drohend zu ihr herab, stand so nah bei ihr, dass sein Kinn beinahe ihren Scheitel berührte. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. Seine Augen verengten sich zu drohenden Schlitzen. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Jungfer. Ich sage es dir jetzt ein letztes Mal! Lass mich durch!«
    Die Männer hinter dem Schuster waren still geworden. Man hörte nur das leise Knurren der Hunde und das Scharren von Pferdehufen. Die Kreatur war unruhig, als spürte sie die Gefahr, die ihr drohte.
    Margeth erhob leise, aber deutlich ihre Stimme. »Wie alt warst du damals, Thomasz? Vier oder fünf?« Sie hielt einen Atemzug lang inne. »Ich weiß es, du musst mindestens fünf gewesen sein, denn ich erinnere mich, wie meine Mutter nach Hause gekommen ist und eine Kerze für das Kind angezündet hat. Du hast das Brüderchen gesehen, hat sie mir erzählt. War es nicht so? Sicherlich bist du erschrocken. Wie lange hat er gelebt? Zwei Tage oder drei? Und hat er geschrien, als er starb?«
    Der Schuster war blass geworden. Unwillkürlich hatte er seine Mistgabel nach unten genommen und stützte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf. Sie konnte es in seinen Augen sehen, die Erinnerung war zurückgekommen.
    »Hexe«, stammelte er. »Hexe, du bist eine gottverdammte Hexe!«
    Margeth hörte, wie Jakobus den Hahn spannte. Das war eine fürchterliche Beschuldigung. Keine konnte für eine Frau und besonders für eine Hebamme gefährlicher sein.
    Die Männer begannen zu murren. Sie senkten ihre mitgebrachten Gerätschaften. Die Fackeln warfen ihren flackernden Schein gegen den Nachthimmel.
    Margeth versuchte, ihr pochendes Herz zu beruhigen. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Dies hier war eine brenzlige Situation, doch ein Blick in die altvertrauten Gesichter machte sie zuversichtlich. Fast jeder von ihnen hatte ihr das Leben eines Kindes zu verdanken und alle waren sie durch die kundige Hand ihrer Mutter auf die Welt geholt worden.
    »Aber ich habe das Kind gesehen, Jungfer Margeth. Es hatte ein Wolfsgesicht. Wie kann ein Menschenkind ein solches Gesicht bekommen? Meine Mutter hat gesagt, das war, weil sich Libuse vor dem schrecklichen Hund der Gräfin erschreckt hat«, wisperte der zaghafte Conrad.
    »Ja«, überlegte Margeth laut, »und wie kommt es, dass die Anne droben bei den Köhlern jedes Jahr einen gesunden Jungen zur Welt bringt? Wie die Orgelpfeifen hat sie sie stehen, einen strammen Kerl nach dem anderen. Niemals war ein entstelltes Kind dabei, obwohl es da oben im Winter vor Wölfen nur so wimmelt. Meine Mutter hat mir kurz vor ihrem Tod gesagt, dass in der Familie des Schusters immer wieder entstellte Kinder geboren werden. Es sind nur Knaben, keiner weiß, warum. Auch Thomasz‘ Großvater hatte einen entstellten Bruder.«
    *
     
    Thomasz schwindelte es. Erinnerungsfetzen fegten durch seinen Geist. Da war ein Wimmern in der Nacht, immer intensiver, dann erstarb es. Er hörte die schweren Schritte des Vaters und seine Mutter schrie. Er erinnerte die Worte.
    »Nie wieder sollst du mich anfassen« und »Du bist schuld, es ist deine gottlose Familie.«
    Tränen traten in seine Augen. Er war das einzige Kind geblieben und das hatte ihm gut gefallen. Mit einem Mal war alles so deutlich wie damals.
    Der kleine Sarg wurde in das Grab des Großvaters gesenkt. Danach hatten sie nie wieder darüber gesprochen. Irgendwann vergaß auch er das Gesehene.

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