Die Graefin der Woelfe
andere, »und übergeben hat sie sich auch.«
»Sie wird in die Jahre kommen, ist bei den hohen Damen nicht anders als bei uns auch. Elsbeth hat gesagt, sie würde auch nicht mehr bluten.«
Erasmus kannte sich mit solchen Weiberdingen nicht gut aus, doch er glaubte nicht, dass die Gräfin schon ihre Zeit hinter sich hätte. Dafür kannte er zu viele Frauen, die mit vierzig noch niederkamen, wenn auch nicht zum ersten Mal. Unterdessen war ein Knabe hinzugetreten, der aufgeregt versuchte, zu Wort zu kommen.
Dank seiner lauten Stimme gelang es ihm endlich, sich Gehör zu verschaffen. »Nun, als sie dem Jäger die Flinte aus der Hand geschlagen hatte, da war ihr jedenfalls nicht übel gewesen«, tönte er in die Runde.
Alle Augen richteten sich auf ihn.
»Was erzählst du für Geschichten? Ist dir wohl in den Kopf gestiegen, dass du mit den Jägern geritten bist?«, brummte der Mundschenk, sichtlich verärgert, dass ihm jemand die Schau stehlen wollte.
»Ich habe gesehen, wie sie einem angesehenen Jäger die Flinte aus der Hand genommen hat, weil dieser einen blutrünstigen Wolf erschießen wollte«, warf sich der Junge in die Brust.
»Wie soll das denn gehen? Bei einem blutrünstigen Wolf hättest du dir beim Davonlaufen in die Hosen gemacht, wie willst du da noch die Gräfin gesehen haben?« Andres legte seine linke Hand auf die Schulter des Jungen und zog ihm mit der rechten heftig am Ohr. Der Junge trollte sich grollend unter dem allgemeinen Gelächter und die Gruppe lief auseinander.
»Gott zum Gruße, hoher Herr«, grüßte Dagomar freundlich, als sie sich wenig später vor dem Hof der Bäuerin wie zufällig begegneten. »Wenn Sie einen Augenblick warten wollen, so will ich Ihnen einen schönen frisch gebackenen Laib Brot mit auf die Reise geben.«
»Nichts anderes hoffte ich zu hören, liebe gute Frau. Ich habe Ihnen eine gute Salbe mitgebracht, sie wird die Schmerzen lindern.« Erasmus kramte den Tiegel aus der Tasche und drückte ihn in die schwieligen Hände der Bauersfrau. Zwischen ihnen hatte sich eine Art Freundschaft entwickelt, die auf gegenseitigem Respekt und gleichen Zielen beruhte.
Dagomar schickte ihre Enkeltochter in die Backstube, und während sie warteten, fragte sie beiläufig: »Was hört man aus dem Schloss für seltsame Geschichten von blutsaugenden Ungeheuern? Ich hab mich sehr erschreckt.«
»Es besteht derzeit kein Anlass zur Sorge, liebe gute Frau. Bei den Vorkommnissen, die sie erwähnen, handelt es sich um einen Vorfall, der sich in Ungarn ereignet hat. Wir wissen noch recht wenig darüber.«
»Freilich. Aber man sagt, es stehe schon in den Zeitungen.«
Erasmus nickte. »In der Tat, die Sache ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich stehe gerade im Begriff, mir ein Bild zu machen. Ich habe eine interessante Theorie entwickelt. Nur so viel: Meiner Ansicht nach handelt es sich um eine teuflische Krankheit. Meine Aufgabe wird es sein, die Spreu vom Weizen, das heißt, die Wissenschaft vom Aberglauben zu befreien.«
»Ist das nicht gefährlich?«
»Der größte Teil meiner Arbeit ist von theoretischer Natur. Ich gehe den unterschiedlichsten Aussagen zu dem Thema nach und überprüfe, welche übereinstimmen und welche voneinander abweichen. Man kann mit großer Sicherheit annehmen, dass die Aussagen, die übereinstimmen, auch den Tatsachen entsprechen. So haben alle Geschichten, die ich bisher über die sogenannte Vampirkrankheit gehört habe, eine hervorstechende Gemeinsamkeit. Alle berichten, dass der Wiedergänger Blut trinkt. Manche berichten darüber hinaus, dass sich der Vampir eines Wolfes bedient, der das Blut seiner Opfer für ihn warm hält. Dies würde darauf hindeuten, dass der Vampir ein denkender, also vorausschauender Mensch ist und nicht bloß ein entseelter Körper. Sie sehen, gute Frau, so fügt sich eines zum anderen.«
Wie er richtig vermutet hatte, horchte Dagomar bei der Erwähnung des Wolfes auf. Erasmus konnte beinahe sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete.
»Was ist das nur immer mit den Wölfen?«, flüsterte sie und ihre klugen Augen hefteten sich Hilfe suchend an ihn.
Irritiert bemerkte Erasmus, dass die Bäuerin tatsächlich Angst hatte, dass sie ganz offensichtlich nicht bloß aus Klatschsucht mit ihm sprach.
»Ich werde es herausfinden«, versprach er und ein warmes Gefühl machte sich breit. Er würde diesen Menschen helfen und seinem Freund, dem Grafen.
*
Amalia saß mit Wenzel beim Frühstück, als Krysta die Hebamme
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