Die Graefin der Woelfe
Frauen, die mit den Tieren gesprochen hatten. Das war der Grund, warum ich meine Gattin nicht mehr anrühren durfte. Walpurga wollte keine Kinder mehr von mir. Sie sei viermal verschont geblieben, hatte sie mir ins Gesicht geschleudert, und ob ich den Herrn noch länger versuchen wolle? Ich solle weiter zu den Mägden gehen. Ich war außer mir und dann …«, der Fürst barg ein raues Schluchzen im Ärmel seines Rocks, »dann habe ich mir genommen, was mir zustand.«
*
Alexej schloss die Augen.
Noch immer fühlte er Walpurgas vorwurfsvollen Blick auf sich ruhen. Es war nicht bei diesem einen Mal geblieben. Fortan hatte er sie jede Nacht besucht, so lange, bis sie schwanger wurde. Das Kind, in Schwermut empfangen, lag von Beginn an wie ein Stein in ihrem Leib. Sie durfte ihr Lager nicht mehr verlassen und verbrachte ihre Tage trübsinnig, in Finsternis und im Gebet, fürchtete nicht den Tod, sondern das Leben. Ihre Angst glitt ins Unermessliche. Die Geburt, die folgte, war lang und schwierig und hätte sie beinahe umgebracht. Doch das Leben, das mit Vehemenz aus ihr hinausdrängte, war stark, es zerriss sie nahezu. Kaum war es auf der Welt, kaum hielt er das rosige, gesunde Mädchen in den Händen, hatte es auch schon sein Herz erobert.
Alexej erhob den Kopf aus den Händen. Erneut setzte er das Glas an die Lippen, nahm einen tiefen Schluck, und stellte es mit einem Seufzen ab. »So sehr ich über die schwere Geburt erschrocken war, so sehr liebte ich Amalia von ihrem ersten Atemzug an. Als ich das verräterische Mal an ihrer Seite sah, war ich arglos genug, mich darüber zu freuen. Dieses Mädchen war mein einziges Kind, das an der gleichen Stelle das Mal hatte wie ich. Das sollte ein Zeichen unserer Verbundenheit sein. Walpurga deutete alles ganz anders, fand ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Das Mal war ihr niemals etwas anderes als ein Hexenmal und so nannte sie unsere Tochter ein Hexenkind.«
Wieder lastete Schweigen im Raum.
Er war noch nicht am Ende seiner Lebensbeichte angekommen, aber es fiel ihm schwer, den Faden wieder aufzunehmen. Schließlich besann er sich.
»Es war wenige Tage nach Amalias zwölftem Geburtstag. Walpurga hatte mich in ihre Räume gebeten, auch der Pater war dort, ihr einziger Freund und Vertrauter, den ich ihr nicht nehmen konnte. Sie erklärten mir, dass Amalia verwildere, dass ich mich an meinem Kind versündige und dass sie endlich unter die strenge Erziehung ihrer Mutter gehöre. Ich gab ihnen recht.« Hilflos blickte er sich im Saal um, als gäbe es jemanden, dem gegenüber er sich rechtfertigen müsste. »Ich konnte doch nicht ahnen, was geschehen würde.« Er stand auf und trat ans Fenster, wo er eine Hand an die kühle Scheibe legte. Ohne sich umzudrehen, erzählte er weiter, schilderte mit heiserer Stimme die schrecklichen Ereignisse und wie er mit fliegender Hast aus Wien nach Hause geeilt war. Er erzählte so lange, bis im Osten ein heller Streifen den kommenden Tag verkündete. Irgendwann wandte er sich um.
Graf Wenzel saß noch immer an der gleichen Stelle wie vormals. Jetzt füllte er die Gläser erneut und stand auf. Er schwankte leicht, als er Alexej das Behältnis mit der goldgelben Flüssigkeit reichte, dann nahm er Haltung an.
»Fürst Alexej zu Torgelow, hiermit bitte ich, Graf Wenzel von Falkenstein, um die Hand Ihrer Tochter. Ich verspreche, sie zu lieben und zu ehren. Ich werde ihr treu und ergeben sein bis in den Tod.« Seine Stimme klang deutlich, ein klarer Bariton.
Alexej spürte, wie sich sein Herz erwärmte. Er trat einen Schritt nach vorn, nahm den jungen Mann in den Arm und räusperte sich. »Ich bestehe darauf, dass Sie bis zum vollständigen Tagesanbruch über diesen Schritt nachdenken. Wenn Sie dann noch derselben Ansicht sind, werde ich meine Tochter in Ihrem Namen fragen.« Felsbrocken fielen ihm vom Herzen. Er hatte einen guten Mann für seine Tochter gefunden und auch, wenn er das Mädchen schmerzlich vermissen würde, so war er doch froh, sie in guten Händen zu wissen.
*
Die Prinzessin befand sich in ungewohnt beschwingter Verfassung, als Marijke sie zur Nacht umkleidete. Sie hatte ein paar Mal beobachtet, wie der Fürst den Pokal seiner Tochter immer wieder mit dem hellen, spritzigen Moselwein nachfüllen ließ, der auch Marijke leicht die Kehle hinunterlief.
Amalia stieß ihre Schuhe durch die Kammer, sodass sie an der gegenüberliegenden Wand abprallten.
»Ach Marijke, Marijke …«, sang sie, packte sie
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