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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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für einen Jungen von neun oder zehn, oder wie alt er damals war, eine bemerkenswerte Maßnahme war. Daraufin wurde Rose nach einem Ort an der Golfüste gebracht, in eine Anstalt, und dort mag sie immer noch leben, wenigstens hörte man nie, daß sie gestorben sei. Nun konnten aber Riley und sein Onkel Horace Holton nicht miteinander auskommen. Eines Nachts stahl er das alte Auto von Horace und fuhr mit Mamie Curtiss auf ein Tanzvergnügen; sie war der Leichtsinn selbst und mochte ungefähr fünf Jahre älter als Riley sein, der damals nicht älter als fünfzehn war. Schön und gut, als Horace hörte, daß sie auf der Tanzerei wären, langte er sich den Sherif, um ihn da herauszuholen; er sagte, er wolle Riley eine Lektion erteilen, und ließ ihn arretieren. Aber Riley sagte dem Sherif, da sei er schief gewickelt. Vor einer Korona von Leuten beschuldigte er seinen Onkel, Geld gestohlen zu haben, das Rose gehörte und das für ihn und seine Schwestern bestimmt war. Er bot an, das an Ort und Stelle auszukämpfen; und als Horace sich zurückhielt, trat er gegen ihn an und schlug ihm ein Auge zu. Der Sherif tat Riley ins Gefängnis. Aber der Richter Cool, ein alter Freund von Rose, ging der Sache nach, und es stellte sich ganz klar heraus, daß Horace das Geld von Rose auf sein eigenes Konto geleitet hatte. Horace packte einfach seine Kofer und nahm den Zug nach New Orleans, wo er, wie wir hörten, einige Monate später, plakatiert als Priester der Liebe, seine Betätigung darin fand, auf einem Vergnügungsdampfer Paare zu trauen, die gerade Mondscheinpartien auf dem Mississippi machten. Von da an war Riley sein eigener Herr. Mit Geld, das er auf das ihm zufallende Erbgut entlieh, kaufe er einen roten Rennwagen und fitzte mit jedem Stadtfittchen in der Gegend herum. Die einzig netten Mädchen, die man je in diesem Wagen sah, waren seine Schwestern. Er nahm sie am Sonntagnachmittag zu einer gemächlichen und ehrenwerten Fahrt um den Stadtplatz mit. Hübsche Mädchen waren diese Schwestern, aber sie hatten nicht viel Spaß, denn er paßte genau auf sie auf, und die Jungens hatten Angst, in ihre Nähe zu kommen. Eine zuverlässige farbige Frau versah ihren Haushalt, und im übrigen lebten sie allein. Eine der Schwestern, Elizabeth, war in meiner Schulklasse und bekam die besten Noten, lauter Einser. Riley selbst hatte die Schule verlassen; aber er war keiner von den faulen Billardlazis, noch gab er sich mit ihnen ab; am Tage fschte oder jagte er. An dem alten Holtonhaus machte er viele Verbesserungen, denn er war ein guter Zimmermann, ebenso ein guter Mechaniker; er baute sich zum Beispiel eine spezielle Autohupe, die wie eine Lokomotive pff, und abends hörte man ihn die Straße hinunterheulen, wenn er zu einer Tanzerei in eine andere Stadt raste. O wie ich mich sehnte, sein Freund zu sein! Und das schien doch möglich, denn er war nur zwei Jahre älter. Aber ich konnte mich an das einzige Mal erinnern, als er mit mir gesprochen hatte. Auf dem Weg zu einer Tanzerei im Klubhaus kam er in einer schmucken weißen Flanellhose in Verenas Drugstore, wo ich an Samstagabenden manchmal aushalf. Was er wünschte, war ein Päckchen Überzieher, aber ich wußte nicht genau, was Überzieher seien, er mußte also selbst hinter den Ladentisch kommen und sie sich aus einer Schublade nehmen; er lachte, nicht unfreundlich, aber das war noch schlimmer, als wenn er es gewesen wäre. Nun wußte er also, daß ich ein Idiot war, und wir würden niemals Freunde werden.
       Dolly bat: „Nimm ein Stückchen Kuchen, Riley", und er fragte, ob wir immer so früh am Tage Picknicks machten. Und er fügte hinzu, er halte das für eine glänzende Idee: „Wie das Schwimmen in der Nacht. Ich komme hier herunter, wenn es noch dunkel ist und schwimme im Fluß. Wenn ihr das nächste Mal ein Picknick macht, dann laßt es mich wissen."
       „Du bist jeden Morgen willkommen", sagte Dolly und hob ihren Schleier. „Ich meine, wir werden einige Zeit hierbleiben."
       Diese Einladung mußte Riley sonderbar vorgekommen sein, aber er sprach es nicht aus. Er zog ein Päckchen Zigaretten hervor und ließ es in der Runde herumgehen; als Catherine eine nahm, sagte Dolly: „Catherine Creek, du hast in deinem Leben keinen Tabak angerührt." Doch Catherine meinte, sie erlaube sich das, da sie so manches entbehre: „Es muß ein Trost sein; so viele Leute sagen, es sei angenehm; und Dollyherz, wenn du einmal in meine Jahre gekommen bist, wirst auch du nach

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