Die Grasharfe
einleuchtend genug. Ich erzählte Morris diese alte Geschichte von dir, und er dachte sich diesen wundervollen Namen aus."
„Zigeunerkönigin-Tropfenkur – das ist ein Grif, was?" prahlte der Doktor. „Sieht nach was aus!"
„Meine Medizin?" fragte Dolly, und ihre Augen blieben gesenkt. „Ich brauche doch keine Etiketten, Verena. Ich schreibe sie selbst."
Doktor Ritz schnalzte mit den Fingern. „Sehr gut! Nun, wir machen einfach Etiketten, die mit Ihrer Handschrif gedruckt sind – streng individuell, wie?"
„Wir haben schon genug Geld ausgegeben", verwies ihn Verena rasch; und zu Dolly gewandt fuhr sie fort: „Morris und ich gehen diese Woche nach Washington, um den Musterschutz für diese Etiketten und ein Patent auf die Medizin zu erwerben – selbstverständlich mit deinem Namen als Erfnder. Die Sache ist nun die, Dolly, du mußt dich hinsetzen und einen kompletten Antrag für uns ausfüllen."
Dollys Gesicht verfel; die Etiketten wurden vom
Tisch gefegt und fatterten auf den Fußboden. Die Hände auf den Tisch gestützt, richtete sie sich auf; langsam kam wieder Leben in ihr Gesicht, sie hob den Kopf und sah an Doktor Ritz und Verena vorbei. Sie ging zur Tür und legte die Hand auf die Klinke: „Das werde ich nicht tun – weil du dazu kein Recht hast, Verena. Und Sie auch nicht, Sir!"
Ich half Catherine den Tisch abdecken: die umgeworfenen Rosen, den nicht angeschnittenen Kuchen, die Gemüse, die keiner berührt hatte. Verena und ihr Gast verließen gemeinsam das Haus. Wir beobachteten durch das Küchenfenster, wie sie mit hängenden und schüttelnden Köpfen stadtwärts abzogen. Dann zerteilten wir den Gewürzkuchen und nahmen ihn mit auf Dollys Zimmer.
„Pscht! Pscht! Still!" f lüsterte sie, als Catherine ihrer Meinung über „Jene" Ausdruck geben wollte. Aber es war, als ob das rebellische Wispern in ihrem eigenen Innern zu einer mißtönenden Stimme geworden sei, zu einem Gegner, den sie niederringen mußte: Pscht! Still! Pscht! bis Catherine Dolly in die Arme nahm und auch wisperte: „Pscht! Pscht!"
Wir holten ein Päckchen Spielkarten und teilten es auf dem Bett aus. Catherine mußte daran denken, daß es Sonntag war und daß sie nicht am Spiel teilnehmen durfe. Sie erklärte, wir könnten vielleicht noch eine schlechte Note im Buch des Jüngsten Gerichtes riskieren, aber hinter ihrem Namen stünden schon zu viele. Wir überlegten uns das und betrieben lieber Handlesen. Als es schon dämmerte, kam Verena nach Hause. Wir hörten ihre Schritte in der Halle; sie öfnete die Tür ohne anzuklopfen, und Dolly, die gerade bei meiner Schicksalslinie angelangt war, verstärkte den Grif um meine Handknöchel. Verena befahl: „Collin, Catherine, ihr könnt gehen."
Catherine wäre mir die Leiter hinauf in den Dachboden gefolgt, wenn sie nicht ihre guten Kleider angehabt hätte. Ich ging also allein. Ich wußte ein gutes Astloch, durch das man geradeswegs in das rosa Zimmer gucken konnte; aber Verena stand genau darunter, und alles, was ich sehen konnte, war der Hut, den sie beim Verlassen des Hauses aufgesetzt hatte. Er war aus vogelleichtem Stroh, mit einem Büschel von Früchten aus Celluloid garniert. „Das sind die Tatsachen", führte sie aus, und die Früchte zitterten und blinkten in der blauen Dämmerung. „Zweitausend für die alte Fabrik, die Arbeit von Bill Tatum und vier Zimmerleuten für achtzig Cents die Stunde, Maschinen für siebentausend, die schon bestellt sind, nicht gerechnet, was ein Spezialist wie Morris Ritz kostet. Und warum das? Alles für dich!"
„Alles für mich?" Das kam so unbestimmt wie die Dämmerung. Ich sah Dollys Schatten, wie er sich von einem Teil des Zimmers in den anderen bewegte. „Du bist mein Fleisch und Blut, und ich liebe dich zärtlich; in meinem Herzen ist Liebe für dich. Ich könnte es jetzt beweisen, indem ich dir das einzige gebe, was jemals mein gewesen ist; dann wäre alles dein. Verena, bitte", bat sie stammelnd, „laß dies eine mir."
Verena knipste das Licht an. „Du sprichst von geben", und ihre Stimme wurde hart und grell von einer plötzlichen Bitterkeit. „All diese Jahre habe ich geschufet wie ein Tagelöhner – was nicht alles habe ich dir gegeben? Dieses Haus, dieses …"
„Alles hast du mir gegeben", unterbrach Dolly sie sanf, „und Catherine und Collin. Nur, wir haben auch ein bißchen das unsere getan, wir haben dir ein nettes Zuhause gemacht. Das haben wir
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