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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Axtschlägen. Ich hörte Catherine kreischen, vielmehr brüllen. Das machte meine Knie so weich, daß ich nicht mit Riley Schritt halten konnte, der sich einen Stock grapste und zu laufen begann. Ich schlug einen Haken, erst nach der einen Seite, und dann nach der anderen, und dann kam ich, in der falschen Richtung, am Rande des Grasfeldes an. Und da stand Catherine.
       Ihr Kleid war von unten bis oben zerrissen, sie war so gut wie nackt. Ray Oliver, Jack Mill und Big Eddie Stover, drei erwachsene Männer, Spießgesellen des Sherifs, prügelten und schleifen sie durch das Gras. Ich hätte sie umbringen können, und Catherine versuchte es. Aber sie war der Sache nicht gewachsen, obwohl sie mit dem Kopf nach ihnen stieß und ihnen die Ellbogen in die Seiten rannte. Big Eddie Stover, ein uneheliches Kind, die beiden anderen waren eine Klasse für sich. Big Eddie Stover ging auf mich los, und ich klatschte ihm meinen Katzenfsch fach mitten ins Gesicht. Catherine schrie: „Laß meinen Kleinen sein, er ist Waise", und als sie sah, daß er mich um die Hüfen gepackt hatte, kreischte sie: „In die Klöten, Collin, tritt ihm in die alten Klöten!" Das tat ich. Big Eddies Gesicht gerann wie saure Milch. Jack Mill (der ein Jahr später aus Versehen in die Eisfabrik eingesperrt wurde und darin erfror – geschah ihm recht!) versuchte, mich blitzschnell zu greifen, aber ich sprang beiseite, mitten in das Feld, und duckte mich in das höchste Gras. Sie kümmerten sich dann nicht weiter um mich, sie hatten alle Hände voll zu tun mit Catherine; sie kämpfe mit ihnen auf der ganzen Strecke, und ich verfolgte sie mit meinen Blicken – ganz krank davon, daß ich nicht helfen konnte –, bis alle hinter dem Hügelrücken des Friedhofes verschwunden waren.
    Zwei hadernde Krähen kreuzten über mir, und das schien mir ein böses Zeichen. Ich kroch auf die Wälder zu – da hörte ich neben mir schwere Stiefelschritte im Gras. Es war der Sherif; mit ihm ein Mann namens Will Harris, hoch wie ein Tor, mit Schultern wie ein Stier. Seine Gurgel war einmal von einem tollen Hund zerfeischt worden; die Narben waren böse, aber noch böser klang seine schadhafe Stimme; sie war unsicher und infantil wie die eines Kastraten. Sie gingen so nah vorbei, daß ich beinahe Wills Schuhbänder hätte aufinden können. Die dünne Stimme, mit der er auf den Sherif einschrie, überschlug sich, die Namen von Morris Ritz und Verena gellten. Ich konnte nicht genau ausmachen, was Will dazu bestimmte, den Sherif in die Stadt zurückzuholen, außer natürlich, es wäre mit Verena und Morris Ritz irgend etwas passiert. Der Sherif tobte: „Was zum Teufel will eigentlich diese Frau – eine Armee vielleicht?" Als sie gegangen waren, sprang ich auf und lief in die Wälder.
       In der Nähe des Paternosterbaumes verbarg ich mich hinter einem Fächer aus Farn. Es konnte da wohl noch einer von den Leuten des Sherifs herumlungern. Aber niemand war da, nur ein einsamer Vogel sang. Niemand auch in dem Baumhaus; leuchtende Sonnenbalken durchkreuzten, füchtig wie Geisterrauch, seine Leere. Betäubt näherte ich mich und lehnte meinen Kopf gegen den Stamm des Baumes. In diesem Augenblick kehrte der Wachtraum des Hausbootes wieder: unsere Wäsche fatterte, das Geranium blühte, der rastlose Fluß trug uns rastlos zum Meer in die Welt.
       „Collin." Mein Name fel vom Himmel herab. „Bist du's, den ich da höre? Weinst du?"
       Dolly sprach von irgendwoher, wo ich sie nicht sehen konnte – bis ich, ins Herz des Baumes kletternd, ihren kindlichen Schuh ziemlich hoch über mir wippen sah. „Gib acht, Jung", sagte der Richter neben ihr, „du wirst uns hier herunterschütteln." Tatsächlich, sie saßen, wie Möwen auf dem Mast eines Schiffes, in der äußersten Spitze des Baumes; später stellte Dolly fest, daß die Aussicht dort oben so bezaubernd sei, daß sie bedauerte, nicht schon früher dort gewesen zu sein. Wie es sich zeigte, hatte der Richter den Anmarsch des Sherifs und seiner Leute rechtzeitig genug bemerkt, um Zufucht in diesen Höhen zu suchen. „Wart, wir kommen", sagte Dolly, und auf den einen Arm des Richters gestützt, schwebte sie wie eine vornehme Dame herab, leicht wie ein Sternenfug.
      Wir küßten uns; sie ließ nicht ab, mich zu umarmen. „Catherine – sie schaute nach euch aus. Wir wußten nicht, wo ihr wart, und ich war so bange, ich …" Ihre Furcht kribbelte durch meine Hände. Sie fühlte sich an wie ein kleines, zitterndes

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