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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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von der Mutter das Platinhaar, das bleich war wie Morgenlicht – ganz verschieden von ihrer besten Freundin, der beseelten und überschatteten Elizabeth. Ich weiß nicht, worüber die beiden sprachen, vielleicht über Bücher und Musik. Aber mit mir sprach Maude über Jungens, über bestimmte Vorfälle, über Drugstore-Klatsch. Fand ich es nicht auch schrecklich, daß Riley Henderson mit diesen furchtbaren Mädchen herumstreunte? Elizabeth tat ihr so leid, und wie erstaunlich war es von Elizabeth, daß sie trotz allem den Kopf nicht hängen ließ. Es erforderte keine besondere Klugheit, zu sehen, daß Maude ihr Herz an Riley verloren hatte; trotzdem bildete ich mir eine Zeitlang ein, daß wir uns liebten. Zu Hause sprach ich dauernd von ihr, bis Catherine eines Tages zum besten gab: „Oh, Maude Riordan, die ist zu mager, nirgends kann man sie zwicken; ein Mann muß beklopf sein, wenn er mit der seine Zeit vertrödelt." Einen Abend führte ich Maude ganz groß aus, schmückte ihr Mieder eigenhändig mit Wickenblüten und nahm sie mit in Phils Cafe, wo wir Kansas City-Steaks aßen, und danach gingen wir zu einer Tanzerei ins Lola Hotel. Trotzdem benahm sie sich, als habe sie nicht erwartet, einen Gutenachtkuß von mir zu bekommen. „Ich glaub nicht, daß das sein muß, Collin – aber es war fein von dir, mich auszuführen." Ich war ziemlich niedergeschlagen, man kann sich denken, warum; aber weil ich es mir nicht erlaubte, darüber nachzugrübeln, ging unsere Freundschaf unverändert weiter. Eines Tages unterließ Mrs. Riordan es, mir wie gewöhnlich am Ende der Stunde ein neues Stück als Hausaufgabe zu bestimmen; statt dessen teilte sie mir freundlich mit, daß sie es vorziehen würde, mir keine weiteren Stunden geben zu müssen. „Wir haben dich sehr gern, Collin. Ich brauche dir nicht zu sagen, daß du jederzeit in unserm Haus willkommen bist. Aber, Lieber, du hast keine Begabung für Musik. Das ist nun einmal so, und es wäre nicht recht von uns, so zu tun, als verhielte es sich anders." Sie hatte recht, aber trotzdem war mein Stolz verletzt, ich fühlte mich hinausgeworfen; es machte mich ganz elend, an die Riordans zu denken; bald aber nach der Zeit, die ich brauchte, um meine wenigen schwer erlernten Klavierstücke zu vergessen, fel allmählich über alles der Vorhang. Anfangs sprach mich Maude noch manchmal nach der Schule an und lud mich ein; ich hatte aber bald diese, bald jene Ausrede. Es war außerdem Winter, und ich saß so gern mit Dolly und Catherine in der Küche. Catherine wollte wissen: „Was ist los? Du sprichst nie mehr über Maude Riordan." Ich erklärte: „Ich mag nicht, weil ich nicht mag."
       Aber all die Zeit, in der ich nicht über sie sprach, muß ich an sie gedacht haben; wenigstens, als ich sie unter dem Baum sah, beengten wieder die alten Gefühle meine Brust. Zum ersten Male wurde ich mir unserer Lage bewußt: Waren wir, der Richter, Dolly und ich, für Maude und Elizabeth nicht ein lächerlicher Anblick? Sie konnten das beurteilen, sie waren in meinem Alter. Aber sie blieben so unbefangen, als hätten wir uns eben auf der Straße oder im Drugstore getrofen.
    Der Richter fragte: „Maude, wie geht's deinem Papa? Habe gehört, er fühlt sich nicht besonders."
      „Er kann nicht klagen. Sie wissen ja, wie Männer sind, immer ein bißchen wehleidig. Und Sie selbst, Sir?"
      „Nicht der Rede wert", entgegnete der Richter zerstreut. „Grüß ihn von mir, und sag ihm, ich hofe, daß es ihm bald besser geht."
      Maude nickte liebenswürdig: „Ja, Sir, danke. Ich weiß, er wird die Erkundigung zu schätzen wissen." Sie legte ihren Rock in die richtigen Falten und ließ sich neben der unwilligen Elizabeth im Moos nieder. Niemand hatte Elizabeth jemals einen Kosenamen gegeben; wenn jemand anfng, sie Betty zu nennen, dann war er nach einer Woche wieder bei Elizabeth. So wirkte sie. Ermattet, schlank wie eine Banane, hatte sie schwarze Pferdehaare und einen abwesenden, manchmal fast heiligen Gesichtsausdruck; in einem Email-Medaillon, das um ihren lilienstengeldünnen Hals hing, befand sich eine Miniatur ihres Vaters, des Missionars. „Schau, Elizabeth, ist das nicht ein kleidsamer Hut, den Miß Dolly aufat? Samt, mit einem Schleier."
       Dolly richtete sich auf und tastete nach ihrem Kopf. „Für gewöhnlich trage ich keine Hüte – aber wir hatten eine Reise vor."
       „Wir hörten, daß Sie aufgebrochen waren", begann Maude und fuhr in etwas freierem Ton fort:

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