Die Grasharfe
herrschte. Riley knöpfe sich auf und begann, ihn unter Wasser zu setzen; ich begrif zwar nicht, was daran komisch war, aber ich lachte, um ihm Gesellschaf zu leisten. Natürlich kränkte es mich, als er schwenkte und auf meinen Schuh pinkelte. Vermutlich sollte das bedeuten, er habe keinen Respekt vor mir. Ich fragte, warum er das täte. „Verstehst du keinen Spaß?" sagte er und legte den Arm herzlich um meine Schultern.
Wenn solche Ereignisse zeitlich bestimmt werden können, so würde ich denken, dies war der Augenblick, in dem Riley Henderson und ich Freunde wurden; in diesem Augenblick erwachte in Riley ein liebevolles Gefühl für mich, das meine Neigung zu ihm nährte. Wir drangen durch das dornige Unterholz unter braunen Bäumen in der Düsternis der Wälder zum Fluß vor.
Auf dem langsamen grünen Wasser trieben Blätter wie scharlachfarbene Hände. Das festgefahrene Ende eines halbversunkenen Baumstammes sah wie der spähende Kopf irgendeines Flußtieres aus. Das Wasser wurde klarer, als wir uns dem alten Hausboot näherten. Das Hausboot war leicht abgesackt; eine Menge von angetriebenem Zeug bedeckte wie ein dichter Rost sein geneigtes Deck und das Kajütendach. Das Innere der Kabine sah geheimnisvoll nach Unheil aus. Nummern eines Abenteurermagazins lagen umhergestreut, und neben der Petroleumlampe auf dem Tisch standen eine Reihe leerer Bierflaschen. Die Schlafoje ließ eine Decke und ein Kissen sehen, und das Kissen wies blaßrote Spuren eines Lippenstifes auf. Mit einem Schlag begrif ich, daß das Hausboot irgend jemandes Versteck sei; und das Grinsen auf Rileys vertrautem Gesicht verriet, wessen Versteck es war. „Das beste an der Sache ist", bemerkte er, „daß du da drüben an der Seite angeln kannst. Erzähle niemandem davon." Bewunderung drang mir ins Herz.
Während wir uns auszogen, hatte ich eine Art Wachtraum; mir träumte, das Hausboot wäre auf dem Fluß, mit uns fünfen an Bord, von Stapel gelaufen; unsere Wäsche fatterte wie Segel, in dem Kombüsenherd buk ein Kokosnußkuchen, ein Geranium blühte auf dem Fensterbrett. Zusammen trieben wir auf wechselnden Flußläufen an immer anderen Landschafen vorbei.
Trotz des scheidenden Sommers wärmte die steigende Sonne noch, aber der erste Sprung ins Wasser schickte mich zähneklappernd und mit einer Gänsehaut zurück auf Deck. Von dort aus sah ich Riley, wie er sich sorglos und mit kräfigen Stößen von einem Ufer zum anderen tummelte. Eine Insel mit Bambusbüschen, deren Röhricht so aufrecht stand wie Kranichbeine, erhob sich winddurchbebt aus einer seichten Stelle des Flusses, und Riley durchwatete sie mit dem spähend gesenkten Blick eines Jägers. Er winkte mir. Obwohl es schmerzhaf war, ließ ich mich wieder in den eisigen Fluß hinab und schwamm auf ihn zu. Das Wasser, dessen Strömung den Bambus neigte, war hier klar und in knietiefe Bassins unterteilt; über eines beugte sich Riley. In dem niedrigen Pfuhl lag schläfrig befangen ein rabenschwarzer Katzenfsch. Wir umschlossen ihn mit Fingern, hart wie Gabelzinken; er schnellte rücklings und warf sich unmittelbar in meine Hände. Die umherschlagenden messerscharfen Bartfäden rissen eine klafende Wunde in meinen Handteller, aber ich hatte noch so viel Geistesgegenwart, ihn festzuhalten. Gott sei Dank, denn das war der einzige Fisch, den ich je gefangen habe. Wenn ich erzähle, daß ich einen Katzenfsch mit bloßen Händen gefangen habe, glaubt es mir kein Mensch. Ich antworte dann nur: Bitte, fragt Riley Henderson. Wir trieben ein zugespitztes Bambusrohr durch seine Kiemen und hielten ihn über unsere Köpfe, als wir zum Hausboot zurückschwammen. Riley meinte, das sei einer der fettesten Katzenfsche, die er je gesehen habe. Wir wollten ihn auf den Baum mitnehmen; und, da vorher der Richter sich gerühmt hatte, wie großartig er Katzenfische braten könne, sollte er ihn zum Frühstück zubereiten. Doch wie es sich später ergab, wurde dieser Fisch nie gegessen.
Unser Baumhaus war inzwischen in einer schrecklichen Lage gewesen. Während unserer Abwesenheit war der Sheriff mit ein paar Beauftragten zurückgekommen, und mit einem Hafbefehl, der sein Rückgrat stärkte. Dieses geschah in der Zeit, in der Riley und ich ohne eine Ahnung von diesen Geschehnissen herumfaulenzten, Fliegenpilze köpfen und ab und zu Steine über das Wasser schnellten.
Schon aus einiger Entfernung hörten wir den wilden Tumult der Stimmen. Es schallte in den Bäumen wie von
Weitere Kostenlose Bücher