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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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wieder würden wir es warm haben; ich ließ mich gehen; ich sah den Winter einziehen in den kalten Baum, ich weinte, weinte, bis ich so unnütz war wie ein durchweichter Lappen im Regen. Seit wir das Haus verlassen hatten, war mir derart zumute gewesen. Mrs. County bat mich um Verzeihung, falls sie irgend etwas gesagt haben sollte, was mich aufregte; mit ihrer großen Küchenschürze trocknete sie mein Gesicht, und wir lachten, mußten lachen, so beschmiert war ich durch eine Paste von Tränen und Mehl, und ich fühlte mich, wie man so sagt, ein bißchen besser, und mein Herz wurde leichter. Aus vielen Gründen, die ich verstand, aber die mich nicht beschämten, hatte sich Mr. County, irritiert durch meinen Ausbruch, nach vorne in den Laden zurückgezogen.
       Mrs. County goß sich selbst Kafee ein und setzte sich. „Ich behaupte nicht, daß ich verstehe, was da vorgeht", erklärte sie. „Ich habe nur gehört, daß Miß Dolly das Haus wegen Meinungsverschiedenheiten mit Verena verlassen hat." Ich wollte bemerken, daß die Dinge noch verzwickter seien, aber als ich mir die Ereignisse zurückzurufen versuchte, fragte ich mich, ob das wirklich so sei. „Nun ja", fuhr sie nachdenklich fort, „es mag sich anhören, als wollte ich gegen Dolly sprechen, das tue ich nicht. Aber meine Meinung ist – ihr Leutchen solltet heimgehen, und Dolly sollte ihren Frieden mit Verena machen; das hat sie ihr Leben lang getan, und in ihrem Alter kann man nicht alles umkrempeln. Das ist auch kein gutes Beispiel für die Stadt, zwei Schwestern, die sich streiten, und die eine von ihnen sitzt auf einem Baum. Und der Richter Charlie Cool – das erstemal in meinem Leben tun mir seine Söhne leid. Leute aus den maßgebenden Kreisen sollten sich benehmen, sonst geht der ganze Ort zugrunde. Zum Beispiel, hast du dort den Wohnwagen auf dem Platze gesehen? Schön, dann mußt du dir ihn ansehen. Das ist eine Familie von Cowboys. Evangelisten, sagt C. C. Jedenfalls, es ist ein großer Spektakel über sie gewesen, und es hat auch was mit Dolly zu tun." Ärgerlich blies sie eine Papiertüte auf. „Ich will, daß du ihr sagst, was meine Meinung ist: geht nach Hause. Und hier, Collin, nimm ein paar Zimthörnchen mit. Ich weiß, daß es Dolly danach leckert." Als ich die Bäckerei verließ, schlug die Rathausuhr acht, und das bedeutete, daß es halb acht war. Diese Uhr war immer eine halbe Stunde vorgegangen. Einmal hatte man einen Fachmann kommen lassen, um sie zu reparieren. Nachdem er eine Woche daran herumgeflickt hatte, verlangte er als einzige Entlohnung dafür ein paar Gramm Dynamit; aber der Stadtrat bestimmte, daß er voll bezahlt werden solle, denn es herrschte ein allgemeines Gefühl des Stolzes darüber, daß sich die Uhr als so unreparierbar erwiesen hatte. Um den Platz herum öfneten die Geschäfsleute ihre Läden; die Ginsterbesen mit dem Dreck der Torwege, rollende Kehrichttonnen störten die kühlen, katzenleisen Straßen auf. In dem ‚Frühlingsvogel', einem besseren Kolonialwarenladen als Verenas ‚Fünfgroschen-Dschungel' staferten zwei farbige Jungens die Schaufenster mit Büchsen von Hawaii-Ananas aus. Auf der Südseite des Platzes, hinter den Rohrbänken, auf denen zu allen Jahreszeiten friedliche und verwitterte alte Männer saßen, sah ich den Wohnwagen, von dem Mrs. County sprach, in Wirklichkeit eine alte Lastkarre, überplant mit geteerter Leinwand, die an die Trecks der alten Westpioniere erinnerte. Sie sah dumm und verloren aus, so einsam auf dem leeren Platz. Ein selbstgefertigtes Schild von über einem Meter Höhe krönte das Gefährt wie eine Haifschfosse. ,Laß Deine Seele Für Unsern Herrgott Von Dem Lasso Des Kleinen Homer Honey Fangen.' Auf die andere Seite war ein grünlicher, von Pusteln bedeckter grinsender Kopf gemalt, der einen riesigen Ballonhut trug. Ich hätte nicht geglaubt, daß dies das Bild eines menschlichen Wesens sein sollte, aber laut einer Aufschrif war das: ‚Der Kleine Homer Honey, Das Wunderkind.' Weiter gab es da nichts zu sehen, denn niemand ließ sich um den Wohnwagen blicken; ich schlenderte also auf das Gefängnis zu, einem kastenförmigen Ziegelbau neben den Fordwerkstätten. Einmal hatte ich es von innen gesehen. Big Eddie Stover hatte mich dahin mitgenommen, zusammen mit einem Dutzend Jungens und Männern; er war im Drugstore gewesen und hatte gesagt: „Kommt rüber ins Gefängnis, da gibt es was zu sehen!" Die Sehenswürdigkeit war ein hübscher, magerer Zigeunerjunge, den sie

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