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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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antwortete ich und fragte mich zugleich, ob er etwas von unserem Kummer wüßte.
       „Bin ich froh, daß es Oktober ist", frohlockte er und rieb die Luf mit seinen Fingern, als könne er die Kühle, die sie durchwehte, prüfen wie einen Stof. „Der Sommer ist schrecklich für uns; die Backöfen und das übrige, es ist zu heiß zum Leben. Schau her, Junge, da wartet auf dich ein Pfeferkuchenmann – komm herein und verputz ihn."
       Er war gewiß keiner von denen, die mich erst hereinlocken würden, um dann den Sherif zu holen.
       Seine Frau begrüßte mich in der würzig warmen Backstube, als könne sie sich nichts Vergnüglicheres vorstellen, als mich dazuhaben. Mrs. County war fast bei jedermann sehr beliebt. Sie war eine untersetzte Frau, die kein Aufebens von sich machte; sie hatte Elefantenfesseln, stämmige Arme, ein muskulöses Gesicht, dauernd vom Feuer gerötet. Ihre Augen waren bläulich wie eine Eisbombe; ihr Haar sah aus, als habe sie damit ein Mehlfaß ausgewischt, und ihre Schürze reichte bis zu ihren Fußspitzen. Ihr Mann trug die gleiche; manchmal konnte man ihn, die beschmierte Schürze noch um den Leib gebunden, sehen, wie er die Straße überquerte, um sich ein gelegentliches Bier mit den Männern zu genehmigen, die in Phils Cafe um den Schanktisch lungerten. Er wirkte wie ein geschminkter Clown, fapsig, gepudert, anmutig ungeschickt.
       Mrs. County machte mir ein Plätzchen an ihrem Arbeitstisch frei und stellte eine Tasse Kaffee und ein warmes Blech mit Zimthörnchen vor mich hin von jener Sorte, die Dolly so gern aß. Mr. County gab ihr zu bedenken, ob ich nicht etwas anderes lieber möchte: „Ich versprach ihm doch – was hab ich ihm bloß versprochen? Ja, einen Pfefferkuchenmann!" Seine Frau walkte einen Teigklumpen. „Das ist was für Kinder. Er ist ein erwachsener Mann – oder nahezu. Collin, wie alt bist du eigentlich?"
       „Sechzehn."
       „Genau wie Samuel", seufzte sie und meinte ihren Sohn, den wir alle Mulus, Maulesel nannten, weil er auch nicht viel heller war als ein solcher. Ich fragte, was es Neues von ihm gäbe. Denn im letzten Herbst, als er zum dritten Male in der achten Klasse sitzengeblieben war, war Mulus nach Pensecola zur Marine gegangen. „Er ist in Panama, das war das letzte, was wir hörten", berichtete sie und formte den Teig zu einem Pastetenrand. „Wir hören nicht of von ihm. Einmal schrieb ich ihm: ‚Samuel, du solltest öfers nach Hause schreiben, oder ich schreibe dem Präsidenten genau, wie alt du bist.' Weil, wie du weißt, er sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gemeldet hat. Ich erstickte damals fast vor Wut, ich beschimpfe Mr. Hand vor der Schule; denn seinetwegen tat es Samuel doch, er konnt's nicht ertragen, immer in der untersten Klasse sitzenzubleiben, wo er doch so groß geworden war, und die anderen Kinder waren so klein. Jetzt seh ich aber ein, Mr. Hand hatte recht; es wäre nicht ehrlich gewesen, Samuel zu versetzen, wenn er seine Sache nicht zwingen konnte. Also ist's vielleicht zu seinem Besten gewesen. C. C., zeig Collin das Bild."
       Vor einem Hintergrund von Palmen und echter See standen vier geziert lächelnde Matrosen, die sich ineinander eingehängt hatten, und darunter stand geschrieben: Gott segne Ma'm und Pap, Samuel. Das wühlte mich auf. Mulus, der war dort in der großen Welt, während ich – nun ja, wahrscheinlich verdiente ich einen Pfeferkuchenmann. Als ich das Bild zurückreichte, sagte Mr. County: „Ich bin sehr dafür, daß ein Bursch seinem Land dient. Aber das schlimme daran ist, Samuel war gerade so weit, daß er uns hier hätte helfen können. Nichts hasse ich mehr, als auf die Hilfe von Niggern angewiesen zu sein. Lügen und stehlen, und man weiß nie, woran man ist."
       „Es ist mir nicht recht, wenn C. C. in dieser Weise daherredet", entgegnete seine Frau mit verknifenem Mund. „Er weiß, das ärgert mich. Farbige sind nicht schlechter als Weiße, in manchen Fällen sogar besser. Ich habe Gelegenheit gehabt, das noch anderen Leuten in der Stadt zu stecken. Diese Geschichte jetzt mit der alten Catherine Creek, die macht mich ganz krank. Sie mag spinnig sein und verschroben, aber sie ist eine genau so ordentliche Frau wie nur irgendeine. Dabei fällt mir ein, ich werde ihr ein Mittagessen ins Gefängnis schicken; ich wette, der Sherif gibt ihr nicht viel zu futtern."
    Wenn sich einmal alles verändert hat, kommt das Frühere nie mehr zurück; die Welt wußte um uns. Nie

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