Die Grasharfe
hörten.
Nachdem wir uns im Wald getrennt hatten, war er in der Richtung gelaufen, aus der Catherines Geschrei kam. Dann, als er meine Rauferei mit Big Eddie Stover sah, hatte er sich ins Gras geworfen. Ich fragte: „Warum hast du mir nicht geholfen?" „Weil du es gut gemacht hast. Ich kann mir denken, daß Big Eddie dich so bald nicht vergessen wird. Der arme Kerl humpelte nur so auf beiden Beinen." Außerdem war ihm eingefallen, daß niemand wußte, daß er einer von uns war und daß er mit uns im Baum gewesen war; es war besser gewesen, es zu verschweigen, denn das ermöglichte ihm, Catherine und den Beaufragten in die Stadt zu folgen. Sie hatten Catherine in den Notsitz von Big Eddies Wagen gestopf und brachten sie geradeswegs ins Gefängnis. Riley folgte ihnen mit seinem Wagen. „Als wir beim Gefängnis anlangten, schien sie sich beruhigt zu haben; eine kleine Volksmenge hatte sich da versammelt, Kinder, ein paar alte Farmer – ihr wäret stolz auf Catherine gewesen, wie sie da hindurchschritt und ihr Kleid zusammenhielt – und ihren Kopf so." Er warf den Kopf zurück wie ein Erzengel. Wie of hatte ich das an Catherine erlebt, besonders wenn jemand sie tadelte, weil sie Teile von unserem Puzzlespiel versteckte, falsche Gerüchte verbreitete und mit ihrem Gebiß ganz in Unordnung kam. Dolly, die das gleiche fühlte, mußte ihre Nase schneuzen. „Aber als sie im Gefängnis war", erzählte Riley, „schlug sie einen neuen Krach." Im Gefängnis sind nur vier Zellen, zwei für Weiße und zwei für Farbige. Catherine habe Einspruch dagegen erhoben, daß sie in einer Zelle für Farbige untergebracht werden sollte.
Der Richter fuhr sich übers Kinn und schüttelte den Kopf. „Du hattest wohl keine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen? Es würde sie getröstet haben, zu wissen, daß einer von uns da war."
„Ich stand herum und hofe, sie würde zum Fenster hinaussehen. Aber da hörte ich dann die anderen Neuigkeiten."
Wenn ich zurückdenke, ist es mir unbegreifich, daß Riley so lange damit hinterm Berge halten konnte. Denn, guter Gott, unser Freund, jener hassenswerte Doktor Morris Ritz, hatte sich aus dem Staube gemacht, nachdem er aus Verenas Tresor zwölfausend Dollar in verkäufichen Obligationen geraubt hatte und über siebenhundert in Bargeld. Das war, wie wir später erfuhren, nicht einmal die Hälfe seiner Beute. Doch ganz genau wußte das keiner. Ich begrif nun, was Will Harris mit seiner Kinderstimme dem Sheriff berichtet hatte. Kein Wunder, daß Verena Alarm geschlagen hatte; daran gemessen mußten ihre Unannehmlichkeiten mit uns nebensächlich werden. Riley wußte weitere Einzelheiten; er wußte, daß Verena, als sie die Tür zu ihrem Tresor offen gefunden hatte (er stand in ihrem Büro über dem Konfektionsladen), um die Ecke in das Lola Hotel gerast war, wo sie erfuhr, daß Morris Ritz am vorhergehenden Abend das Weite gesucht hatte. Sie fel in Ohnmacht, und als man sie wiederbelebt hatte, fel sie noch einmal in Ohnmacht.
Dollys sanfes Gesicht wurde ganz hohlwangig; ein Impuls, Verena beizustehen, überkam sie, aber gleichzeitig hielt sie Selbstbewußtsein und ein tiefer Wille davon ab. Sie schaute mich voll Mitleid an. „Es ist besser, du weißt es schon jetzt, Collin; du brauchst dann dazu nicht so alt zu werden wie ich: die Welt ist schlecht."
Eine Veränderung, wie ein Windwechsel, überkam den Richter; er sah mit einemmal so alt aus, wie er es in Wirklichkeit war, herbstlich kahl, als fühle er sich von Dolly verraten, da sie die Schlechtigkeit zugab. Aber ich wußte, daß sie ihn nicht verraten hatte; er hatte sie ein Geistwesen genannt, und in Wirklichkeit war sie eine Frau. Riley entkorkte die Flasche mit dem Dessertwein und füllte unsere vier Gläser mit seiner Topasfarbe; nach einem Augenblick füllte er auch das fünfe Glas, das von Catherine. Der Richter, indem er das Glas zu seinen Lippen hob, wagte den Trinkspruch: „Für Catherine, Hofnung sei ihr gegeben." Wir erhoben die Gläser, und „O Collin", sagte Dolly, deren Augen sich weiteten wie bei einem plötzlichen unausweichlichen Einfall, „Collin, du und ich, wir sind die einzigen Menschen auf der Welt, die ein Wort davon verstehen können, was sie sagt."
V
D en folgenden Tag, es war der erste Oktober und ein Donnerstag, werde ich nie vergessen.
Er begann damit, daß Riley auf meine Hände trat und mich dadurch weckte. Dolly, die schon wach war, bestand darauf, daß ich mich bei ihm wegen
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