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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Der Sherif ist der eine, und ich weiß nicht, wieviel mehr noch. Kommen alle durch das Grasfeld. Und mit Gewehren auch."
    Wieder rumpelte der Donner; tückische Windstöße bedrängten unser Feuer.
    „In Ordnung", sagte der Richter und übernahm das Kommando. „Keiner darf den Kopf verlieren." Es war, als habe er für diesen Augenblick gelebt, und er war ihm großartig gewachsen, das muß ich ihm zugestehen.
      „Die Frauen, und ihr kleinen Kinder, hinauf mit euch ins Baumhaus. Riley, sieh zu, daß der Rest von euch sich zerstreut; nehmt eine Ladung von Steinen mit und klettert auf die anderen Bäume da." Als wir diesen Weisungen gefolgt waren, verblieb er als der einzige auf ebener Erde. Mit zusammengebissenen Zähnen hielt er Wache in dem Schweigen der Dämmerung wie ein Kapitän, der sein sinkendes Schif nicht verlassen will.

VI

    F ünf von uns richteten sich auf der Sykomore ein, deren Zweige den Waldweg überhingen. Der kleine Homer war dabei und sein Bruder Buck, ein fnster aussehender Bursche, der Steine in beiden Händen hatte. Auf der benachbarten Sykomore konnten wir Riley rittlings sitzen sehen, der von den älteren Mädchen umringt war; aus der Tiefe goldbraunen Lichtes schimmerten ihre weißen Gesichter wie Windlaternen. Ich glaubte einen Regentropfen zu spüren, aber es war Schweiß, der an meiner Wange hinunterlief. Allmählich, obwohl das Donnerrollen wieder erstarb, verstärkte Regenduf den Geruch des Laubes und des Holzfeuerrauchs. Das überbelastete Baumhaus gab ein häßliches Knarren von sich; von meinem erhöhten Sitz aus erschienen mir seine Insassen als eine einzige Person, ein vielbeiniges, vieläugiges Geschöpf, auf dem Dollys Hut saß wie eine Samtkrone.
       In unserem Baum gedachte jeder von uns jener dünnen Pffe, die Riley dem kleinen Homer abgekauf hatte: Die jagen dem Teufel einen Schreckschuß ein, hatte Schwester Ida gesagt. Der kleine Homer nahm seinen Riesenhut ab und beförderte aus seinem Hohlraum etwas zutage, was möglicherweise Gottes Wäscheleine war, ein dickes, langes Seil, und begann, eine Lassoschlinge hineinzuknüpfen. Als er es dann auf seine Brauchbarkeit erprobte, den Knoten lockerte und anzog, hatten seine stahlgefaßten Brillengläser ein so drohendes Funkeln, daß ich mich um die Ecke auf einen Ast verdrückte, um eine Entfernung zwischen uns zu legen. Der Richter, der unten Patrouille stand, zischelte herauf, daß wir uns nicht mehr bewegen dürfen; es war dies sein letzter Befehl, ehe der feindliche Einfall begann.
       Die Eindringlinge legten keinen Wert auf heimliches Vorgehen. Sie schwenkten ihre Gewehre gegen das Unterholz, als ob sie Zuckerrohr damit schneiden wollten, und überschwemmten den Waldweg neun, zwölf, zwanzig Mann hoch. Zuerst kam Junius Candle, und seine Sherifsterne glitzerten im Zwielicht. Hinter ihm kam Big Eddie Stover, dessen schielender Blick unser Versteck durchforschte und der mich an die Vexierbilder in den Zeitungen erinnerte: Finde in der Zeichnung dieses Baumes fünf Jungens und eine Eule. Aber das erforderte einen klügeren Mann als Big Eddie Stover. Er sah mich unmittelbar an und sah durch mich hindurch. Bei der ganzen Bande gab es kaum welche, die einen durch besondere Verstandesgaben hätten beunruhigen können: bei den meisten reichte es höchstens zum Kaugummi und zum Bierpumpen. Trotzdem entdeckte ich auch Mr. Hand dabei, den Schulvorsteher, einen, alles in allem, sehr anständigen Burschen, und keiner von denen, sollte man denken, der sich einer so schäbigen Gesellschaf mit einem so schändlichen Aufrag anschließen würde. Daß Amos Legrand dabei war, konnte man sich mit seiner Neugier erklären; er war zum erstenmal schweigsam. Kein Wunder. Als ob er ihr Spazierstock sei, stützte sich Verena mit der Hand auf seinen Kopf, der nicht ganz bis zu ihrer Hüfhöhe ging. Auf der anderen Seite hatte ihr der finstere Reverend Buster formell den Arm gereicht. Als ich Verena sah, fühlte ich in halber Betäubung das Entsetzen wieder erwachen, das mich nach meiner Mutter Tod überfel, als sie auf das Haus zugeschritten war, um mich einzufordern. Vor Verachtung schien sie beinahe gelähmt, doch bewegte sie sich mit ihrer gewohnten, bemerkenswerten Autorität voran und blieb, von ihrer Eskorte gefolgt, unter unserer Sykomore stehen.
    Der Richter wich keinen Zentimeter; Aug in Auge stand er, in den Boden gewurzelt, dem Sherif gegenüber, als hütete er eine Grenze, die zu überschreiten niemand wagen dürfe.
    In diesem

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