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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Job. Schön, wir lagen die Nacht wach und überlegten praktische Sachen. Sie war nicht romantisch, meine Schwester; was sie beschäfigte, war, welcher von unseren Verehrern zuverlässig geeignet war, zu Haus die Arbeit zu erleichtern. Es war Dan Rainy, zu dem sie sich entschloß. Er war älter als die anderen, fünfundzwanzig, ein Mann, der nicht schön war, abstehende Ohren, Sommersprossen und nicht viel Kinn, aber – Dan Rainy, oh, der war adrett auf seine eigene ruhige Art, und stark genug, um einen Zentner Nägel hochzustemmen. Im Spätsommer kam er zu uns und half uns das Korn einbringen. Papa mochte ihn auf den ersten Blick, und obwohl Mama meinte, Geraldine sei noch zu jung, widersprach sie nicht ernstlich. Ich weinte auf der Hochzeit und dachte, es sei deshalb, weil die Nächte im Tanzpavillon nun vorbei waren, und daß Geraldine und ich niemals mehr gemütlich im selben Bett liegen würden. Aber sobald Rainy alles übernommen hatte, schien alles gut zu gehen; er holte aus dem Land das Beste heraus, und vielleicht auch aus uns. Nur wenn der Winter kam, und wir rund um das Feuer saßen, dann machte mich manchmal die Hitze oder etwas anderes halb ohnmächtig. Ich ging dann hinaus und stand im Hof, nichts unter meinem Kleid, es war, als spürte ich die Kälte nicht, weil ich ein Teil von ihr geworden war, und ich schloß meine Augen und tanzte Walzer rund und rundherum, und eines Nachts, ich hatte nicht gehört, daß er sich anschlich, fng mich Dan Rainy in seinen Armen auf und tanzte aus Spaß mit mir. Es war aber gar nicht so sehr aus Spaß. Er hatte etwas übrig für mich, und ganz im Innern hatte ich das von Anfang an gewußt. Aber er sprach nicht darüber, und ich fragte ihn nicht danach; und es wäre zu nichts gekommen, wenn Geraldine nicht ihr Baby verloren hätte. Das war im Frühling. Sie, Geraldine, hatte eine Todesangst vor Schlangen, und es kam daher, daß sie eine sah; sie sammelte gerade Eier ein, es war nur eine ganz kleine Schlange, aber es erschreckte sie derartig, daß sie ihr Baby vier Monate zu früh verlor. Ich weiß nicht, was danach mit ihr los war, sie wurde bös und gemein, und fuhr hoch bei jeder Kleinigkeit. Dan Rainy machte alles noch schlimmer; er ging ihr aus dem Weg, soof er konnte, und gewöhnte sich daran, in seine Decke eingerollt im Feld zu schlafen. Ich wußte wohl, wenn ich dablieb – ich ging also nach Youfry und bekam Geraldines früheren Job im Hotel. Es war wie vorher mit dem Tanzpavillon, und ich war womöglich noch hübscher geworden. Einer der Jungens brachte beinahe einen anderen um, weil der mir eine Orangeade kaufe. Ich kann nicht behaupten, ich hätte mich nicht amüsiert, aber innerlich war ich nicht dabei: im Hotel fragten sie mich, wo mein Kopf sei, weil ich die Zuckerdosen mit Salz füllte und den Leuten Löfel gab, um ihr Fleisch zu schneiden. Den ganzen Sommer ging ich nicht nach Hause. Als die Zeit kam, – es war solch ein Tag wie heute, ein sinkender Tag, blau wie die Ewigkeit – da ließ ich sie nicht wissen, daß ich kommen würde; ich stieg unterwegs aus dem Wagen aus und ging drei Meilen über die Stoppelfelder, bis ich Dan Rainy fand. Er sprach kein Wort, er ließ sich zu Boden plumpsen und weinte wie ein Kind. Ich war traurig deswegen über ihn, und ich liebte ihn mehr, als diese Zunge ausplaudern kann."
    Ihre Zigarette war ausgegangen. Sie schien den Faden ihrer Geschichte verloren zu haben, oder schlimmer, sie enden zu wollen. Ich hätte am liebsten getrampelt und gepffen, wie das die Lümmel im Kino tun, wenn die Leinwand plötzlich unerwartet leer bleibt, und Riley, obwohl weniger unbeherrscht als ich, wurde auch ungeduldig. Er riß ein Streichholz für ihre Zigarette an; aufgeschreckt durch das Geräusch, erinnerte sie sich ihrer Stimme wieder, aber es war, als ob sie in der Zwischenzeit eine weite Reise gemacht hätte.
    „Papa schwor, den Kerl würde er erschießen. Und Geraldine bettelte hundertmal: Sag uns, wer es war, und Dan wird mit seinem Gewehr hinter ihm her sein. Ich lachte bis zu Tränen; manchmal ging es anders rum. Ich sagte, ich hätte nicht die leiseste Idee; es waren da fünf bis sechs Jungens in Youfry, es könnt der eine von ihnen gewesen sein oder auch der andere, wie sollt ich das wissen? Mama schlug mich ins Gesicht, als ich das sagte. Aber sie glaubten es; mit der Zeit glaubte es sogar Dan Rainy – jedenfalls wollte er es glauben, der arme, unglückliche Bursch. Die ganzen Monate rührte ich mich nicht aus dem Haus;

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