Die Grasharfe
Henderson, das würde es auch tun. „Henderson, Dein Verrat blieb nicht unbemerkt." Seiten füllten sich mit dem Bericht über die Anfänge unserer Freundschaf und mit ihrer ehrenwerten Geschichte; und ganz allmählich wuchs in mir ein Gefühl, das mir sagte, daß hier irgendein Irrtum vorliegen müsse. Ein so herrlicher Freund hätte mir niemals Unrecht tun können. Bis ich mich am Ende selbst berauschte mit der Mitteilung, daß er mein bester Freund sei, mein Bruder. Dann warf ich diese Faseleien in den Kamin, und fünf Minuten später war ich in Dollys Zimmer, um mit ihr zu besprechen, ob es eine Möglichkeit gäbe, daß ich am nächsten Abend als Skelett erscheinen könne.
Dolly hatte wenig Eignung zu einer Schneiderin, sie hatte schon Schwierigkeiten damit, einen Saum zu nähen. Genau so war es eigentlich mit Catherine; es war jedoch Catherines Ehrgeiz, auf allen Gebieten fachmännisch beschlagen zu erscheinen, ganz besonders auf jenen, für die sie überhaupt nicht zuständig war. Also sandte sie mich in Verenas Konfektionshaus, um sieben Meter besten schwarzen Satin zu holen. „Bei sieben Metern bleiben so'n paar Fetzen übrig. Ich und Dolly, wir fassen Unterröcke damit ein." Dann machte sie ein großes Theater, meine Länge und Breite zu messen, was ein ganz überfüssiges Beginnen war, weil sie gar keine Ahnung hatte, wie man solche Maße für Schnitte und Schere verwertet. „Das kleine Stück da", sagte sie und hackte einen Meter ab, „gibt reizende Pumphosen. Und da das", schnipp, schnipp … „… schwarzer Satinkragen, kommt auf mein altes bedrucktes Kattunkleid." Der Stoff, der für mich übrigbleiben sollte, hätte kaum die Blöße eines Zwerges bedeckt.
„Catherine, liebe, wir dürfen nicht nur an unsere eigenen Bedürfnisse denken", warnte Dolly.
Sie arbeiteten den ganzen Nachmittag ohne Unterlaß. Der Richter wurde während seines üblichen Besuches gezwungen, Nähnadeln einzufädeln, eine Tätigkeit, die Catherine verabscheute: „Kribbelt mir an den Fingern wie fetter Wurm am Angelhaken." Um die Abendbrotzeit erklärte sie, genug zu haben, und ging in ihr Haus unter den Bohnenstangen.
Aber der Wunsch, damit zu Rande zu kommen, hatte Dolly gepackt und eine gesprächige Heiterkeit dazu. Ihre Nadel segelte hin und her durch den Stof; gleich den Säumen, die sie nähte, gingen ihre Sätze etwas schwankend und unregelmäßig durcheinander. „Glaubst du", fragte sie, „daß Verena es mir gestattet, eine Gesellschaf zu geben? Jetzt, da ich so viel Freunde habe? Riley, Charlie – und könnten wir Mrs. County bitten, und Maude, und Elizabeth? Im Frühling. Eine Gartengesellschaft mit ein bißchen Feuerwerk. Mein Vater konnte sehr gut nähen. Schade, daß ich das nicht von ihm geerbt habe. Früher nähten viele Männer; ein Freund von Papa gewann, ich weiß nicht wieviel, Preise für seine Flickendecken. Papa meinte, es zerstreue ihn nach der schweren Arbeit auf dem Hof. Collin! Versprich mir, daß du mir das nicht übelnimmst: Ich war zuerst dagegen, daß du hierher kamst. Ich konnte nicht glauben, daß es recht sei, wenn ein Junge in einem Haus unter lauter Frauen aufwächst. Mit alten Frauen und ihren Vorurteilen. Aber es ist geschehen; und irgendwie bin ich nicht mehr bekümmert deswegen. Du wirst nun dich selber kennen, du wirst vorwärtskommen. Ich möchte, daß du mir eines versprichst: sei nicht unfreundlich zu Catherine. Versuche, ihr nahe zu bleiben. Ich liege oft in den Nächten wach, wenn ich daran denke, daß sie verlassen ist. Hier", und sie hielt mein Kostüm hoch, „laß uns probieren, ob es paßt."
Es zwickte im Schritt, und der Hosenboden hing herunter wie die Unterhosen eines alten Mannes. Die Hosenbeine waren so weit wie Matrosenhosen, ein Ärmel reichte bis zu meinem Handgelenk, der andere ging bis über meine Fingerspitzen. Es war nicht gerade – auch Dolly mußte das zugeben – sehr stilvoll. „Aber wenn wir erst die Knochen darauf gemalt haben …" frohlockte sie. „Mit Silberfarbe. Verena brachte sie einmal mit, um den Flaggenmast aufzufrischen, damals, ehe sie sich gegen die Regierung einstellte. Sie muß noch irgendwo auf dem Dachboden sein, die kleine Blechbüchse. Schau unter das Bett und sieh mal, ob du meine Pantofeln ausfndig machen kannst."
Es war ihr verboten worden aufzustehen, selbst Catherine wollte das nicht erlauben. „Das macht keinen Spaß, wenn du mich auszankst", sagte sie und fand ihre Pantoffeln selbst. Die
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