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Die Grasharfe

Titel: Die Grasharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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wenigstens hatten ihr indianisches Blut anzuerkennen und ihre Tyrannei anzunehmen. Dolly tat ihr den Willen, aber in der Sache mit Maude Riordan stand sie mir immerhin bei: „Collin soll seine Sendung suchen. Es wäre unchristlich von uns, wenn wir Maude nicht anhören wollten. Sie ist eine Freundin von uns."
       Alle, die Maude gehört hatten, stimmten darin überein, daß sie eigentlich den ersten Preis verdient hätte. Sie bekam den zweiten, und auch das war für ihre Familie angenehm, denn es bedeutete die Hälfe der Studienkosten an der Musikhochschule. Trotzdem war es nicht ganz gerecht, denn sie spielte besonders schön und besser als der Junge, der den ersten Preis gewann. Sie spielte die Serenade ihres Vaters, und das entzückte mich genau so sehr wie damals an dem Tag in den Wäldern. Seit jenem Tage hatte ich viele Stunden damit vergeudet, ihren Namen zu kritzeln und von ihren Reizen zu phantasieren, von ihrem Haar, das die Farbe von Vanilleeiscreme hatte. Der Richter kam noch zeitig genug, um die Sendung zu hören, und ich wußte, daß Dolly froh darüber war, denn es war uns, als seien wir wieder vereinigt in dem Laub des Baumes durch die Musik, die Schmetterlingsfügen glich.
       Einige Tage später begegnete ich Elizabeth Henderson auf der Straße. Sie war in einem kosmetischen Salon gewesen; ihr Haar war in Wellen gelegt, und ihre Fingernägel waren lackiert, sie sah erwachsen aus, und ich machte ihr Komplimente darüber. „Ich bin unterwegs wegen unseres Festabends. Ich hoffe, dein Kostüm ist fertig." Da fel mir wieder das Fest vorm Allerheiligentag ein, zu dem sie und Maude mich gebeten hatten, damit ich als Wahrsager aufrete. „Du kannst es doch nicht vergessen haben? O Collin", bat sie, „wir haben geschufet wie die Gäule. Mrs. Riordan macht einen Weinpunsch für uns. Ich würde mich nicht wundern, wenn Betrunkenheit und alles mögliche andere vorkäme. Und schließlich ist es auch eine Feier für Maude, weil sie den Preis gewonnen hat, und weil sie", Elizabeth blickte die Straße hinunter, diese verdrießliche Perspektive von verschlafenen Häusern und Telegrafenmasten, „weil sie fortgehen wird auf die Hochschule, du weißt ja." Ein Gefühl von Einsamkeit überkam uns, und wir wollten uns lieber nicht gleich trennen – ich bot ihr an, sie nach Hause zu begleiten.
      Unterwegs traten wir in die Bäckerei zur Heuschrecke ein, wo Elizabeth einen Kuchen für Allerheiligen bestellte, und Mrs. C. C. County, in einer Schürze, die von Zuckerkristallen glitzerte, kam aus dem Backraum, um sich nach Dollys Befnden zu erkundigen. „Hoffentlich so gut, als man es nur erwarten kann," lamentierte sie. „Man stelle sich vor, eine progressive Lungenentzündung. Meine Schwester hat die gewöhnliche gehabt, wo man sich nur ins Bett zu legen braucht. Na schön, wir können Gott danken, daß Dolly wieder in ihrem eigenen Bett liegt; ich bin ganz erleichtert darüber, daß ihr Leutchen wieder zu Hause seid. Ha, ha, ich meine, heut können wir über all diese Verrücktheiten von damals lachen. Schau her, ich habe grad ein Blech mit Krapfen herausgezogen; bring sie Dolly mit meinen Segenswünschen." Elizabeth und ich hatten einen großen Teil der Krapfen schon aufgegessen, ehe wir ihr Haus erreichten. Sie lud mich ein, ein Glas Milch mit ihr zu trinken und die Krapfen vollends zu vertilgen.
      Heute ist dort, wo das Hendersonhaus damals stand, eine Tankstelle. Es waren etwa fünfzehn zugige Zimmer, zufällig zusammengenagelt, das Haus hätte eine Unterkunf für verirrte Tiere sein können, wenn Riley nicht doch ein ganz geschickter Zimmermann gewesen wäre. Etwas außerhalb hatte er einen Schuppen, der eine Verbindung von Werkstatt und Privatheiligtum darstellte, und wo er die Vormittage verbrachte, um Bauholz zu sägen und Dachschindeln zu hobeln. Wandbretter bogen sich unter den Überresten überwundener Liebhabereien, Schlangen, Bienen, Spinnen, die in Alkohol konserviert waren, eine Fledermaus, die in einer Flasche verweste, Schiffsmodelle. Eine knabenhafe Begeisterung für die Kunst des Ausstopfens hatte eine erbarmungswürdige zoologische Sammlung schlecht riechender Tiere hervorgebracht, ein augenloses Kaninchen mit madig-grünem Fell und Ohren, die herunterhingen wie die eines Bluthundes; Dinge, die man besser beerdigt hätte. Ich hatte unlängst Riley noch einige Male gesehen; Big Eddie Stovers Kugel hatte seine Schulter zerschmettert und hatte ihn dazu verdammt, einen juckenden

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