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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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gegeben?«
    Zur Antwort hob sie den Helm vom Tisch. In dem dunklen Raum glänzte der Gegenstand, der darunter lag, wie geschmolzener Stein. Sie hob das rote Juwel an seiner schweren schwarzen Kette hoch, legte es sich um, ließ den Stein mit einem lauten Klacken auf ihre Brust fallen.
»Da ist es.«
    Einen Moment lang war nur das Geräusch des Meeres zu hören, die Brandung, die gegen den Fels krachte.
    »Die Garde der Elementargeister wird Euch folgen, Lady Yasammez.«
    Die anderen sprachen der Reihe nach, berichteten von ihren Stämmen, inwieweit sie bereit waren oder nicht, aber sie waren sich alle einig — das Aufgebot war groß genug. Sie waren genug, um die Grenze zu überschreiten und Krieg zu führen.
    »Dann habe ich Euch noch eines zu zeigen.«
Yasammez griff unter ihren weiten Mantel. Schließen klirrten. Gleich darauf zog sie ihr Wehrgehänge hervor, ließ es auf den Tisch fallen, umfaßte den Griff des Schwerts und zog es aus der Scheide. Von der Spitze bis zum Knauf war es so weiß wie gepreßter Schnee, wie blanker Knochen. Wieder erfaßte ein kalter Luftzug die Kerzenflamme; sie zitterte und erlosch. Das einzige Licht im Raum war jetzt das leise, blindwurmartige Glühen des Schwerts selbst.
    »Ich habe Weißfeuer gezogen.«
Yasammez, das Rachefeuer des Volkes, sprach in sachlichem Ton, ob sie es nun laut tat oder nur in Form geflügelter Gedanken. Das Gewicht ihres Wortes beruhte darauf, wer sie war und was sie sagte.
»Es wird nicht in die Scheide zurückgesteckt werden, ehe ich nicht tot bin oder das, was uns genommen wurde, wieder unser ist und die Königin wieder lebt.«

    Sie fand ihn, zu ihrer Verwunderung und ihrem Ärger, draußen, wo er im stillen, schon etwas düsteren Westgarten des Palastes herumspazierte. Im Moment allerdings spazierte er nicht herum: Er stand da und starrte zum Dach hinauf, wo sich die Kamine drängten wie Pilze, die nach dem Regen aus dem Boden geschossen sind.
    »Ich ... hast du das gesehen?«
    »Was?«
    »Ich dachte, ich hätte ...« Er schüttelte den Kopf »Ich dachte, ich hätte einen Jungen dort auf dem Dach gesehen. Kommt das vom Fieber? Ich habe so vieles gesehen, als ich das Fieber hatte ...«
    Sie kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf. »So hoch würde niemand hinaufklettern, schon gar nicht ein Kind. Warum bist du nicht im Bett? Ich wollte dich besuchen, aber man sagte mir, du habest dich geweigert, in deinem Gemach zu bleiben.«
    »Warum? Weil ich die Sonne sehen wollte. Aber sie ist schon fast weg. Ich fühle mich wie ein Leichnam, wenn ich in diesem dunklen Zimmer liege.« Sein Gesicht war jetzt wieder verschlossen, die Verletzlichkeit von eben etwas Härterem gewichen. »Du brauchst mich ja sowieso nicht.«
    Briony war schockiert. »Was soll das heißen? Barmherzige Zoria! Ich? Dich nicht brauchen? Du bist doch alles, was ich noch habe! Gailon hat soeben die Burg verlassen — und Südmark überhaupt. In ein paar Tagen wird er in Gronefeld sein, voller Unmut, den er vor jedem ausbreiten wird, der ihm zuhört — und dem Herzog von Gronefeld werden viele Leute zuhören.«
    Ihr Bruder zuckte die Achseln. »Was können wir tun? Solange Gailon nicht zum Verrat aufruft, können wir ihn nicht daran hindern zu sagen, was er will. Ja, es wäre selbst dann schwer, ihn daran zu hindern, wenn er zum Verrat aufriefe. Die Mauern von Gronefeld sind fast so dick wie die von Südmark, und die Tollys unterhalten dort ein kleines Heer.«
    »Es ist zu früh, sich solche Gedanken zu machen, und wenn die Götter es gut mit uns meinen oder Gailon auch nur einen Funken Ehre im Leib hat, wird es überhaupt nie nötig sein. Aber wir haben genügend Probleme, Barrick, also bitte Schluß mit diesem Unsinn. Ich brauche dich gesund. Besser jetzt ein paar Tage gelangweilt und rastlos im Bett als den ganzen Winter krank. Laß dich von Chaven behandeln.«
    »Schluß mit
welchem
Unsinn?« Wieder warf er ihr einen seiner mißtrauischen Blicke zu. »Bist du sicher, daß du mich nicht nur aus dem Weg haben willst, damit du etwas Törichtes tun kannst? Zum Beispiel Shaso begnadigen?«
    Ihr Herz fühlte sich an wie ein Bleiklumpen. Wie konnte ihr Zwillingsbruder, ihre geliebte andere Hälfte, so etwas denken? Hatte ihn das Fieber wirklich so verändert? »Nein! Nein, Barrick, so etwas würde ich nie ohne deine Zustimmung tun.« Er starrte sie jetzt an, fast wie eine Fremde. »Bitte, jetzt ist nicht der Zeitpunkt, uns zu streiten. Wir sind doch alles, was noch von der Familie übrig

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