Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
zusammen, der hätte vielleicht etwas dazu sagen können, aber Feldspats Asche war vor drei Jahren der Erde zurückgegeben worden, und Chert glaubte nicht, daß es jetzt noch viele in der Zunft gab, die mehr wußten als er. Schon gar nicht über Schattengrenzensteine.
    »Wann gehst du zu den redenden, singenden Stimmen?« sagte jemand hinter ihm, was ihn zusammenfahren und einen Schwaps Moosbier verschütten ließ. Flint stand in der Tür, die Hände so dreckig, daß es aussah, als hätte er dunkle Handschuhe an. Als wäre er bei etwas Unrechtem ertappt worden, ließ Chert den seltsamen Stein in seinen Geldsäckel zurückfallen und zog die Schnur zu.
    »Den redenden, singenden Stimmen?« Ihm fiel ein, wie sich der Junge an seinem ersten Tag in der Gruft verhalten hatte. »Oh, heute gehe ich nicht zur Arbeit, Junge, aber wenn du beim nächsten Mal nicht mit willst, kannst du hier bei Opalia bleiben. Sie würde sich freuen ...«
    »Ich will, daß du hingehst. Jetzt.«
    Chert schüttelte den Kopf. »Heute ist ein Ruhetag, Junge. Alle haben jedes Tagzehnt ihre Ruhetage, und heute ist einer von meinen.«
    »Aber ich muß hin.« Das Kind war nicht zornig oder erregt, einfach nur so unbeirrbar wie ein mit wuchtigen Hammerschlägen getriebener Keil. »Ich will dahin, wo du arbeitest.«
    Flint konnte oder wollte sein plötzliches Interesse nicht erklären, ließ es sich aber auch nicht ausreden. Chert kam die Idee, ob es etwas mit dem Stein zu tun haben könnte — schließlich hatte der Junge behauptet, ihn im Tempelhof, in der Nähe der Gruft, gefunden zu haben. »Aber ich kann heute nicht arbeiten«, erklärte Chert. »Heute ist Göttertag — da kommt keiner von den anderen. Außerdem würde der Lärm von Spitzhacke und Meißel die anderen in ihrer Ruhe stören.«
Die über und die unter der Erde,
dachte er. Er war ein bißchen nervös geworden, was die Arbeit in der Gruft betraf, obwohl er immer noch glaubte, gegen den Aberglauben der Großwüchsigen gefeit zu sein. Dennoch würde er nicht traurig sein, wenn diese Arbeit beendet war und er sich anderen Aufgaben anderswo zuwenden konnte.
    »Kommst du dann einfach so mit?« fragte Flint. »Bringst du mich hin?«
    Das verblüffte Chert denn doch. Der Junge war normalerweise recht brav, wenn auch ein bißchen seltsam, aber jetzt redete er so viel wie sonst in Tagen nicht, und es war das erste Mal, soweit Chert sich erinnerte, daß er um etwas bat, und noch dazu auf diese Art, so hartnäckig wie eine Belagerungsarmee.
    »Du willst, daß ich dich in die Gruft bringe?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »In den Tempelhof. So heißt das doch, oder? Na ja, jedenfalls in die Nähe.« Er runzelte die Stirn, als überlegte er angestrengt. »Komm.« Er streckte die Hand aus.
    Mit einem Gefühl, als wäre er durch seine Haustür gegangen und in einem fremden Haus gelandet, stand Chert auf und folgte dem Jungen hinaus auf die Straße.
    »Wir gehen nicht durch die Funderlingsstraßen«, erklärte der Junge sachlich. »Ich will nicht in die Nähe der redenden, singenden Stimmen.«
    »Falls du die Familiengruft der Eddons meinst, es gibt keine Tunnel von hier dorthin oder auch nur in die Nähe.«
    Flint bedachte ihn mit einem Blick, der fast schon mitleidig wirkte. »Egal. Wir gehen über der Erde hin.«
    »Junge, verstehst du denn nicht, daß mir der Rücken weh tut und die Füße und daß ich mich einfach nur hinsetzen will?« Chert konnte kaum Schritt halten mit diesem Kind, das immer nur einen Augenblick normal gehen zu können schien, dann wieder losrannte und zurückgesaust kam, immer im Kreis wie ein Hund. Cherts einzige Chance zu verschnaufen war das Rabentor. Die Wächter hatten sich inzwischen an den Funderling mit dem großwüchsigen Ziehsohn gewöhnt, fanden die Situation aber immer noch belustigend. Diesmal war Chert froh, daß sie ihn und den Jungen warten ließen, während sie sich irgendwelche witzigen Bemerkungen ausdachten.
    Als sie schließlich auf den gewundenen Wegen der Hauptburg in Richtung Tempelhof und Familiengruft stapften, packte er den Jungen am Schlafittchen — er hatte ja schon erlebt, wie schnell das Kind verschwinden konnte.
    »Wo gehen wir hin?«
    »Da rauf.« Flint zeigte zum Dach eines der Palastgebäude hinauf. »Sie warten auf mich.«
    »Warten auf dich? Wer?« Es dauerte einen Moment, bis Flints Worte zu ihm durchdrangen. »Moment — da rauf? Aufs Dach? Da klettere ich nicht rauf, Junge, und du auch nicht. Wir haben da oben nichts zu

Weitere Kostenlose Bücher