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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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eine hübsche Kammerjungfer namens Grenna gegangen, die Barrick schon seit längerem heimlich verehrt hatte. Kendrick hatte den Zorn seines jüngeren Bruders überhaupt nicht verstehen können, hatte nur erklärt, daß er im Unterschied zu manch anderem Mann nie eine Frau mit Gewalt oder Drohungen zu etwas zwang, daß das Mädchen willig gewesen war und mehrere teure Geschenke angenommen hatte, ehe die Liebelei abgeklungen war. Und Kendrick hatte außerdem erklärt, sein jüngerer Bruder werde vorzeitig zum Tugendbold und solle sich lieber um seine eigenen Liebschaften kümmern, als sich über die anderer auszulassen.
    Aber du mußt sie wie Vögel behandeln,
war Barricks einziger wirrer Gedanke gewesen und war es auch jetzt.
Du mußt sie fliegen lassen, sonst sind sie nicht wirklich dein.
Aber bisher war noch keine sein gewesen, wie kam er da dazu sich einzubilden, er wisse Bescheid?
    Obwohl er ihre Hand losgelassen hatte, hatte Selia die Fluchtchance nicht genutzt.
    »Ich habe nicht gesagt, daß es schlecht ist, meine Hand zu halten ...« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, aber just in diesem Moment tauchte jemand am Rand des Burghofs auf.
    »Barrick? Bist du da draußen?«
    Noch nie hatte er sich so wenig gefreut, seine Schwester zu sehen. Aber Briony kam bereits den gepflasterten Weg entlang, auf die Stelle zu, wo er und Selia saßen. Sie beschirmte ihre Augen gegen die Sonne. Irgend etwas an ihrer Kleidung war seltsam, aber vor lauter Ärger, daß sie überhaupt da war, begriff er zunächst nicht, was.
    Als sie schon fast da war, zögerte sie. »Oh, tut mir leid, Barrick, ich wußte nicht, daß du mit jemandem redest. Selia, stimmt's? Anissas Zofe?«
    Selia stand auf und machte einen Hofknicks. »Ja, Hoheit.«
    »Und wie geht es unserer Stiefmutter? Wir waren enttäuscht, daß wir nicht mit ihr speisen konnten.«
    »Sie war auch enttäuscht, Herrin. Aber es ging ihr nicht gut, weil sie in der Hoffnung ist.«
    »Na ja, bestell ihr einen Gruß von uns und sag ihr, wir freuen uns auf ein andermal, und wir vermissen sie.«
    Barrick hatte jetzt endlich gemerkt, was nicht stimmte: Briony trug einen zweigeteilten Reitrock, der viel zu informell für höfische Pflichten war. »Warum bist du so angezogen?« fragte er. »Willst du ausreiten?« Er hoffte inständig, daß sie gerade im Aufbruch war.
    »Nein, aber das ist zu kompliziert, um es jetzt zu erklären. Ich muß dich sprechen.«
    »Ich muß gehen«, sagte Selia rasch. Sie warf Barrick einen scheuen Blick zu. »Ich habe mich schon zu lange verweilt, und meine Herrin fragt sich bestimmt, wo ich bleibe.«
    Barrick wollte noch etwas sagen, aber er war bereits geschlagen, war ohne einen einzigen Fechthieb zur Aufgabe gezwungen worden. Selia knickste wieder. »Danke für das freundliche Gespräch, Prinz Barrick. Ich bin froh, daß es Euch auch wieder besser geht.« Sie ging davon, vielleicht noch nicht wieder ganz sie selbst, aber doch mit diesem prachtvollen, lebensbejahenden Hüftschwung, den Barrick nie sehen konnte, ohne daß ihn unendliches Bedauern überkam.
    Sie war nicht verärgert, weil ich ihre Hand gehalten habe,
dachte er.
Und sie hat es nicht einfach nur hingenommen. Jedenfalls glaube ich das nicht ...
    »Wenn du dich einen Moment von ihrem Hinterteil losreißen könntest«, sagte Briony. »Es gibt Dinge, die wir besprechen müssen.«
    »Was denn zum Beispiel?« brüllte er schon fast.
    »Zügle dein Temperament, Junge.« Ihr Lächeln flackerte, dann wurde ihr Gesicht ernster. »Oh, Barrick, entschuldige. Ich habe euch nicht absichtlich gestört.«
    »Es fällt mir schwer, dir das abzunehmen.«
    »Hör zu, ich bin vielleicht nicht gerade entzückt von einer kleinen Dirne wie der da, aber ich habe es dir schon einmal gesagt. Ich liebe dich, du bist mein lieber, allerliebster Bruder und Freund, aber ich laufe dir nicht nach, um sicherzustellen, daß du nur das tust, was ich will.«
    Er schnaubte verächtlich. »Komisch, denn genau darauf ist es hinausgelaufen.« Einen Moment lang fühlte er echten Zorn. »Und sie ist keine kleine Dirne. Ist sie nicht. Du kennst sie doch gar nicht.«
    Brionys Augen weiteten sich. »Stimmt. Aber ich kenne dich und weiß, was du für eine Schildkröte bist.«
    »Schildkröte?«
    »Ja, mit deinem harten Panzer nach außen. Aber die Schildkröte hat diesen Panzer, weil sie darunter wehrlos ist. Ich habe Angst, daß jemand unter deinen Panzer vordringt — eine Person, bei der ich mir nicht sicher bin, daß sie dir gut tut.

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