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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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gekommen, aber den hatte ich bei mir, als ich den Dachlingen begegnet bin. Ihr kleiner Riechwicht sagte doch, er rieche Schlechtigkeit. Ich dachte, es wäre vielleicht der Geruch des Schattenlands, den Flint noch an sich hätte ... aber vielleicht war es ja das hier.«
    Chaven warf einen kurzen Blick auf den Stein. Er schien nicht weiter beeindruckt. »Mag sein«, sagte er. »Aber vielleicht gehörte es ja auch einfach nur zu den politischen Winkelzügen dieser Dachlinge — sie sind ein altes Volk, von dem wir kaum noch etwas wissen. Aber ich werde ihn auf jeden Fall gründlich untersuchen, guter Chert.« Er sah noch einmal auf den Stein, ließ ihn dann in seinen Gewandärmel gleiten. »Und jetzt wünsche ich noch einen guten Morgen. Wir werden uns ausführlicher unterhalten, wenn ich nicht gerade erst von einem Überlandritt zurückgekehrt bin.«
    Chert zögerte wieder. Noch nie hatte ihm Chaven das Gefühl gegeben, nicht willkommen zu sein. Er mußte die Situation befühlen wie einen schmerzenden Zahn. »Und Eure Reise ist gut verlaufen?«
    »So gut, wie unter den Umständen erwartbar. Das Fieber, an dem der Prinz erkrankt war, hat viele Häuser heimgesucht, aber es ist wohl nicht das, was ich zunächst befürchtet hatte — etwas von jenseits der Schattengrenze.« Er stand abwartend an der Tür.
    »Danke, daß Ihr mir Eure Zeit geopfert habt«, erklärte der Funderling. »Lebt wohl, ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.«
    »Es wäre mir eine Freude«, sagte Chaven, während er die Tür schloß.

    Heute war der Himmel hoch und klar, aber von Norden kam schneidend kalte Luft, und Briony war froh über ihre warmen Stiefel. Doch ihr männlicher Kleidungsstil — wollene Hosen und eine Tunika, die einst Barrick gehört hatte — schien nicht allen zu gefallen: Avin Brone sah sie kurz an, schnaubte entrüstet und stürzte sich dann sofort in die Geschäfte des Tages, als mißtraute er sich, was irgendwelche Kommentare über ihr Äußeres anging. Statt dessen beschwerte er sich, daß ihr Bruder es offenbar nicht für nötig halte, ebenfalls zu erscheinen.
    »Der Prinz wird seine Gründe haben«, sagte Briony, aber insgeheim war es ihr gar nicht so unrecht. Sie hatte ihrerseits Gründe, möglichst schnell vorankommen zu wollen, und obwohl sie ihr Bestes tat, sich allem zu widmen — den Rechtssachen, die zu entscheiden waren, den Steuern, die es festzusetzen galt, den unzähligen Geschichten, die alle ihr königliches Ohr wollten —, war sie doch zerstreut und nicht immer bei der Sache.
    Als alles erledigt war, ging sie in ihre Gemächer, um ein Mahl aus kaltem Huhn und Brot zu sich zu nehmen. An einem solchen Tag hätte sie lieber etwas Wärmeres gegessen, aber sie hatte ja eine Verabredung ...
    Was für ein Wort!
Sie war belustigt, schämte sich aber auch ein wenig.
Es ist offiziell — Angelegenheiten der Krone und überfällige noch dazu.
Aber sie vermochte nicht einmal sich selbst gänzlich zu überzeugen.
    Rose und Moina waren entrüstet, sowohl über ihre unziemliche Kleidung als auch über ihr Nachmittagsvorhaben. Obwohl keine von beiden offen mit der Sprache herausrückte, war doch bald klar, daß sie eine kleine Verschwörung gebildet hatten und sich nicht so leicht würden abschütteln lassen. Als selbst schärfere Worte nur auf erbitterten — wenn auch natürlich in unterwürfigste Floskeln gekleideten — Widerstand stießen, gab Briony auf und ließ sie mitkommen.
Warum auch nicht,
sagte sie sich.
Es ist schließlich völlig harmlos, und so gibt es wenigstens kein Getuschel.
Aber ein klein wenig wütend war sie doch. Herrscherin aller nördlichen Lande — nun ja, gemeinsam mit ihrem Bruder —, und sie konnte nicht einmal jemanden treffen, ohne von wachsamen Augen umgeben zu sein wie ein Kind, das man davor bewahren mußte, sich selbst in Gefahr zu bringen.
    Er wartete im Gewürzgarten. Wegen des Disputs mit ihren Jungfern hatte sie ihn länger warten lassen als beabsichtigt. Sie fragte sich, ob solch kaltes Wetter jemandem, der in heißen, südlichen Gefilden aufgewachsen war, noch ärger zusetzte, aber wenn Dawet dan-Faar litt, so ließ er es sich nicht anmerken.
    »Ich dachte, wir könnten ein wenig spazieren«, sagte sie, »aber es ist so schrecklich kalt. Gehen wir lieber hinüber in Königin Lilys Gartenhäuschen.«
    Der Gesandte verbeugte sich lächelnd. Vielleicht war er ja wirklich froh, irgendwohin gehen zu können, wo es wärmer war. »Aber Ihr scheint für dieses Wetter gekleidet«, bemerkte

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