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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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noch etwas Spitzes darin lag. »Ja, jetzt, da ich hier sitze und endlich das Glück habe, mich im Strahlenglanz Eurer Gegenwart sonnen zu dürfen, statt Euch verehren zu müssen wie den fernen Mond, jetzt sehe ich, daß mein zentrales Thema noch zutreffender ist, als ich dachte — Ihr seid in der Tat ... in der Tat ...«
    Sie wurde das Warten allmählich leid. »Ich bin in der Tat was?«
    »Die Verkörperung Zoriens, der Kriegergöttin und Herrin der Klugheit.« So. Jetzt konnte er nur hoffen, daß er richtig geraten hatte und ihre seltsame Art, sich zu kleiden, und die Anrufung der Göttin nicht nur Zufall waren. »In meiner Jugend habe ich oft von Perins tapferer Tochter geträumt, aber in meinen Träumen ward ich immer von ihrem Glanz geblendet — ich konnte mir das himmlische Antlitz nie wirklich vorstellen. Jetzt kenne ich das wahre Gesicht der Göttin. Jetzt sehe ich sie wiedergeboren in der jungfräulichen Prinzessin von Südmark.« Er bekam es plötzlich mit der Angst, etwas zu weit gegangen zu sein: Sie wirkte nicht so geschmeichelt, wie er es sich erhofft hatte. Aber erbost wirkte sie auch nicht. Er hielt den Atem an.
    »Soll ich ihn prügeln lassen, ehe ich ihn in dieses Bordell zurückbringe?« fragte Brone.
    »Um ehrlich zu sein«, sagte Briony, »er ... er amüsiert mich. Ich habe seit Tagen nicht mehr gelacht, und gerade eben hätte ich es beinah getan. Das ist ein seltenes Geschenk in diesen Zeiten.« Sie musterte Kettelsmit von oben bis unten. »Ihr wollt mein Hofdichter werden, hab ich recht? Der Welt von meinen Tugenden künden?«
    Er war sich nicht sicher, was da gerade geschah, aber auf jeden Fall war dies kein Moment, den man auf irgendwelche Wahrheiten vergeuden durfte. »Ja, Herrin, meine Prinzessin, das war immer mein größter Traum. Tatsächlich, Hoheit, würde mich Eure Gönnerschaft zum glücklichsten Mann auf Erden machen, zum glücklichsten Dichter von ganz Eion.«
    »Gönnerschaft?« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Was heißt das? Geld?«
    »Oh, aber nicht doch, Herrin!«
Alles zu seiner Zeit,
dachte er. »Nein, es wäre ein nicht in Geld aufzuwiegendes Glück, wenn Ihr mir einfach nur gestatten würdet, Euch — natürlich nur aus der Ferne! — beobachten zu dürfen, damit ich mein Poem besser gestalten kann. Ich arbeite schon seit Jahren daran, an diesem Hauptwerk meines Lebens, aber es ist so schwer, es nur auf die wenigen flüchtigen Blicke zu gründen, die ich bei öffentlichen Anlässen auf Euch werfen durfte. Wenn Ihr mir die Gunst gewähren würdet, Euch auch nur quer durch einen dichtgefüllten Saal dabei zusehen zu dürfen, wie Ihr Eure weise Regentschaft dem glücklichen Volk von Südmark zuteil werden laßt, wäre das ein Akt der Güte, der bewiese, daß Ihr wirklich die Wiedergeburt Zoriens seid.«
    »Mit anderen Worten, Ihr wollt ein Obdach.« Jetzt lag erstmals echte Belustigung in ihrem Lächeln. »Brone, stellt fest, ob Puzzle ein Plätzchen für ihn finden kann. Sie können sich ja einen Raum teilen — und sich gegenseitig Gesellschaft leisten.«
    »Prinzessin Briony ...«, Brone war ärgerlich.
    »Jetzt muß ich mit meinem Bruder reden. Wir beide sehen uns vor Sonnenuntergang wieder, Konnetabel.« Sie ging in Richtung Tür, blieb noch einmal stehen und musterte Kettelsmit vom Scheitel bis zur Sohle. »Lebt wohl, Poet. Ich erwarte, diese Eure Ode bald schon zu hören. Ich sehe dem gespannt entgegen.«
    Als er ihr nachschaute, war sich Matty Kettelsmit nicht ganz sicher, ob das nun der beste oder der schlimmste Tag seines Lebens war. Er dachte, es müsse wohl der beste sein, aber da war so ein leises Übelkeitsgefühl in seinem Magen, das doch eigentlich nicht zu dem Tag paßte, an dem er zum Hofdichter ernannt worden war.

    Zunächst schien es, als könnte Collum Saddler dem Elbenheer folgen, wie ein Blinder die Sonne zu orten vermag: Trotz des verwirrenden Nebels, der den Wald erfüllte, und der gewundenen, sich immer wieder verlierenden Straße ging der Soldat das Unterfangen auf eine Art an, die Vansen als selbstbewußt bezeichnet hätte, wenn nicht das gesamte übrige Verhalten des Mannes in keiner Weise von etwas so Normalem und Menschlichem wie Selbstbewußtsein gezeugt hätte. Ja, Saddler hätte ein Schlafwandler sein können, wie er so vor sich hin stolperte und murmelte wie einer jener fanatischen Büßer, die in den Zeiten des Großen Todes den Bildnissen des Gottes Kernios von Ortschaft zu Ortschaft gefolgt waren.
    Doch wenn Saddler ein Blinder war, der

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