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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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vergessen hatte — oder war es vorgestern gewesen? Die Botschaft dieses albernen Dichterlings, daß der seltsame Schankknecht sie sehen wollte. Sie verlangsamte ihren Schritt, und in ihrem blinden Bestreben, sie nicht zu verlieren, hätten Rose und Moina sie beinah umgerannt.
    »Laßt diesen Schankknecht zu mir bringen«, erklärte sie einem der Wachsoldaten. »Ich werde ihn in der Erivorkapelle empfangen.«
    »Nur ihn, Hoheit?«
    Sie dachte an den ehemaligen Kumpan des Schankknechts, diesen Kettelsmit. Das letzte, was sie jetzt wollte, war, seine dümmlichen Schmeicheleien ertragen zu müssen. »Bringt ihn und sonst keinen.«
     
    Sie hatte den Schankknecht schon beinah wieder vergessen, aber als sie vom Gespräch mit dem Konnetabel kam, erinnerte sie der Weihrauchgeruch, der von dem Erivoraltar in der Bauernhalle herüberwehte, an ihre Order, und sie machte sich auf den Weg zur Kapelle.
    Der seltsame Mensch namens Gil saß geduldig da, keine Regung im langen Schlafwandlergesicht, aber die Wachen um ihn herum schienen ein wenig brummig, und Briony merkte bestürzt, daß sie sie alle ganz schön lange hatte warten lassen.
    Nun ja, ich bin schließlich die Prinzregentin, oder?
    Schon, wies sie sich selbst zurecht, aber das hier war schließlich eine Festung, die sich auf den Belagerungsfall vorbereitete. Vielleicht hätten diese Männer ja anderes zu tun gehabt. Trotzdem ärgerte sie das Verhalten der Wachen ein wenig.
    »Eure Kameraden sehen müde aus«, sagte sie zu dem Sergeanten. »Hattet Ihr Mühe, ihn hierher zu bringen?«
    »Das nicht, Hoheit. Wir hatten Mühe, das Mädchen davon abzuhalten, auch mitzukommen.«
    »Mädchen?« Briony war völlig verwirrt. »Welches Mädchen?«
    »Die, die Hauptmann Vansen mitgebracht hat, Hoheit. Diese ... Willow? Das Mädchen aus Dalerstroy.«
    »Aber warum wollte sie mitkommen?«
    Der Sergeant zuckte die Achseln, merkte dann, daß das nicht das war, was man einer Prinzessin gegenüber tat. Er neigte den Kopf. »Ich weiß nicht, Hoheit, aber die Wachen im Kerker sagen, sie ist jeden Tag dort, beobachtet diesen Burschen hier wie eine Katze ein Mauseloch, setzt sich zu ihm, so oft es geht. Sagen tun sie beide nichts, aber sie guckt ihn an und er sie nicht.« Er wurde ein bißchen rot. »Das ist es, was ich gehört hab.«
    Briony wandte sich dem anscheinend so faszinierenden Schankknecht zu und musterte ihn. »Habt Ihr das gehört? Stimmt das, das mit dem Mädchen?«
    Seine kühlen, klaren Augen waren fast so leer wie Fischaugen. »Da sind Leute«, sagte er langsam. »Ich guck selten hin. Ich horche.«
    »Worauf?«
    »Stimmen.« Er lächelte, aber irgend etwas stimmte mit seinem Lächeln nicht, so als hätte er den Trick nie richtig gelernt. »Sie versuchen, mit
Euch
zu reden, manche davon. Sie sagen, ich soll Euch was über Euren Bruder sagen — den mit den Träumen.«
    »Was für Stimmen?« Es war schwer, nicht wütend auf jemanden zu werden, der einen ansah, als wäre man ein Stuhl oder ein Stein. »Und was sagen sie Euch über Prinz Barrick — Euren Herrn?«
    »Ich weiß nicht genau. Die Stimmen sprechen in meinem Kopf, im Schlaf und manchmal sogar, wenn ich wach bin.« Die leeren Augen schlossen sich so langsam wie ein fallendes Blatt und öffneten sich wieder. »Und sie sagen, er soll die Burg nicht verlassen — er soll nicht nach Westen ziehen.«
    »Er soll nicht ...? Aber er ist schon weg! Warum ...?« Sie wollte sich darüber ereifern, daß man ihr das erst jetzt sagte, aber sie wußte, es war ihre eigene Schuld. Der aufsteigende Zorn verwandelte sich in etwas anderes, etwas Eiskaltes in ihrer Brust. »Warum sollte er das nicht tun?«
    Gil schüttelte langsam den Kopf. Plötzlich ging ihr auf, daß sie gar nichts über ihn wußte — daß Brone ihr nur gesagt hatte, er arbeite in einer Spelunke in der Nähe der Skimmerlagune. »Wenn er nach Westen zieht«, sagte der Schankknecht, »muß er sich vor dem Auge des Stachelschweins hüten.«
    »Was heißt das?« Sie hatte jetzt das Gefühl, einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben, aber was sollte sie tun? Selbst wenn sie es glaubte, sollte sie einen Eilkurier ausschicken, nur um Barrick diese ... diese Prophezeiung zu übermitteln? Er hatte sich schon einmal schrecklich über die Wahrsagerei dieses Mannes aufgeregt. Nein, befand sie, sie würde ihm mit dem ersten regulären Kurier einen Brief schicken. Sie würde es so formulieren, als schriebe sie es ihm zu seiner Belustigung — vielleicht würde es ja in seinem Kopf

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