Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
hellte sich sein Gemüt ein klein wenig auf. Wider alle Vernunft keimte so etwas wie Hoffnung in seinem Herzen. »Meint Ihr Flint? Habt Ihr meinen Jungen gefunden?«
    »Nein, es sei denn, Euer Junge hätt verkleidet sich mit Bart und langem Schwanz.«
    Jetzt konnte Chert ihn sehen. Der Bogenschütze hockte ein wenig wacklig in der Gabelung eines zweizackigen Stalagmiten, der Chert nicht einmal bis zur Taille ging, für den kleinen Mann aber turmhoch war. Giebelgaup zielte mit Pfeil und Bogen auf etwas, das Chert nicht sehen konnte, bis er noch näher hinkroch und im Schattendunkel die glänzend schwarzen Äuglein und die zuckende Nase erkannte. Die Ratte schrak zusammen und wollte die Felswand entlanghuschen, aber einer von Giebelgaups winzigen Pfeilen schlug genau vor ihrem Kopf gegen den Stein. Sie erstarrte wieder, nur die Nase bewegte sich noch.
    »Wie lange versucht Ihr sie schon zu töten?« fragte Chert amüsiert und erleichtert. Er hätte den Dachling nie für einen so miserablen Schützen gehalten, aber zweifellos hatte die schwere, berauschende Luft der Höhlen ihren Tribut gefordert. »Seid Ihr wirklich so hungrig?«
    »Hungrig? Ihr tumber Riesenkerl. Ich hatte nie die Absicht, das Tier zu essen, mein Plan war, es zu reiten.«
    »Reiten?«
    »Zu weit für mich, zu Fuß zur guten Luft zurückzukehren«, erklärte Giebelgaup. »Doch jetzt steht Ihr ja hier, mit Eurer tumben Riesenschulter.« Der kleine Mann lächelte matt. »Tragt Ihr mich jetzt nach Haus?«
    »Ihr wolltet auf dieser Ratte reiten?« Chert war etwas langsam im Kopf, aber er hatte den Ansatz einer Idee. »Den ganzen Weg zurück nach oben?«
    »Ich bin ein Dachrinnenkundschafter«, sagte Giebelgaup ein wenig indigniert, »und hab schon manchen wilden Rattling zugeritten.« Er schüttelte den Kopf. »Und ganz im Ernst — die dicke Stickluft hier ertrag ich nicht mehr lang.«
    »Dann laßt uns diese Ratte fangen. Sie kann uns beiden helfen.«
     
    Giebelgaup legte gerade letzte Hand an einen Behelfssattel, der eigentlich eher ein Geschirr war, gefertigt aus einem Riemen der Korallenlampe und Fäden aus durchgewetzten Stellen von Cherts Hemd. Die künftige Trägerin des Sattels saß jetzt als Gefangene auf dem Grund von Cherts Ränzel und verputzte fröhlich die Krümel des Mahls, das Chert am Salzsee gekauft hatte. Und wenn sie erst mal gefressen hatte, dachte Chert, würde sie vielleicht auch nicht mehr dauernd zu beißen versuchen.
    »Aber aus welchem Grund wollt Ihr noch bleiben?«
    »Weil es einen Weg geben muß, auf diese Insel zu kommen — der Junge ist schließlich auch dort. Und diesen Weg werde ich finden.«
    »Vielleicht gibt es ja ein Boot, und er hat mit selbgem übergesetzt.«
    Chert sank in sich zusammen. Daran hatte er gar nicht gedacht. »Selbst wenn«, sagte er schließlich. »Wenn er zurückkommt, werde ich da sein und dafür sorgen, daß er nicht wieder verschwindet. Und wenn er Hilfe braucht? Wie kann man überhaupt mit einem Boot über Quecksilber fahren? Was, wenn es ... kentert oder entzweigeht? Boote gehen doch manchmal entzwei, oder?«
    »Mich dünkt, Ihr wart noch nie auf einem Boot«, sagte Giebelgaup mit einem leisen Lächeln.
    »Stimmt«, gab Chert zu.
    »Und ich soll jetzt von hinnen reiten und Hilfe schicken. Und wohin, guter Meister Funderling, soll ich um Hilf mich wenden?«
    »An meine Frau Opalia, falls Ihr sie wiederfindet. Sonst bittet irgend jemanden von meinem Volk, Euch zu ihr zu bringen.«
    Giebelgaup nickte. Er zog einen Knoten an seinem Rattengeschirr an, musterte ihn mit erfahrenem Auge. »Das wird es tun.« Er erhob sich. »Vielleicht wär's besser, ich schickte Euch ein paar von jenen Tempelmännern — wie nanntet Ihr sie gleich? Die Metallmorpheus-Brüder, war es das?«
    »Die Metamorphose ... Oh, Felsriß und — daran hab ich gar nicht gedacht! Die haben Euch ja schon gesehen — sie wissen, wer Ihr seid. Natürlich.« Er war wütend auf sich selbst, weil er nicht auf diese naheliegende Idee gekommen war, aber die Ereignisse hatten ihn strapaziert.
    Er half Giebelgaup, der Ratte das Geschirr anzulegen. Das Tier war jetzt ruhiger, aber immer noch nicht gerade lammfromm, und so dauerte es einige Zeit. Aber der Dachling war geduldig und geschickt, und schließlich hielt Chert vorsichtig die Ratte fest, während Giebelgaup auf ihren Rücken kletterte. Sobald Chert losließ, versuchte die Ratte zu bocken, aber der Dachling gab ihr mit seinem Bogen eins auf die Nase; die Ratte quiekte und versuchte,

Weitere Kostenlose Bücher