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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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und klein zu schütteln begann, ihn zu zerbröckeln, so wie die Sandsteinklippen, die ihm sein Vater gezeigt hatte, unter den erbarmungslos anbrandenden Wellen zerbröckelten. Bald würde es keinen Chert mehr geben, nur noch Bruchstücke, die immer weiter zerbröselten, bis sie nichts als Staub waren, und der Staub würde zerstieben und verwehen in all die dunklen Winkel, in die nicht einmal das Licht der Sterne je gedrungen war ...
     
    Als sein Denkvermögen wiederkehrte, als die Träume schließlich aufrissen und davonflogen wie windgepeitschte Wolken, konnte sich Chert auf das, was er sah, überhaupt keinen Reim machen; ja, er fragte sich sogar, ob er nicht einfach nur in ein anderes, kaum weniger wirres Reich des Wahnsinns eingetreten war. Er stand am Fuß eines Berges, einer hoch aufragenden Masse von dunklem Stein, einer mächtigen, schwarzen Silhouette im schwachen Licht, das von überall und nirgends herzukommen schien — aber wie konnte so etwas sein, ein Berg innerhalb eines Bergs? Aber da war er, ein gewaltiger schwarzer Brocken, mindestens hundertmal so hoch wie er; er stand am Fuß des Bergs wie eine Ameise, die an einem Menschen hinaufblickt.
    Oh, ihr Alten, bewahrt mich, es ist das Tor, das schwarze Tor. Ich bin bis zu Kernios hinabgestiegen ... und Immon ... Noszh-la persönlich wird mich für unwürdig befinden und mich mit diesen schrecklichen, steinernen Zähnen zermalmen ...!
    Plötzlich flackerte es wie Wetterleuchten in dem mächtigen, schwarzen Etwas, das vor ihm aufragte. Gleich darauf brach plötzlich ein aberwitziges Leuchten aus dem gesamten Gebilde hervor, am intensivsten aber war es im Zentrum, wo es ungefähr die Form eines Mannes hatte. Ein leuchtender Mann.
    Chert starrte gebannt hin, furchterfüllt, aber dann auch erleichtert. Er stand genau zu Füßen des Leuchtenden Mannes. Er hatte das Meer der Tiefe unterquert.
    Allerdings hatte er keine Vorstellung gehabt, wie es war, direkt vor dem Leuchten zu stehen. Der Fels schien halb durchscheinend, halb massiver schwarzer Basalt, und das Licht, das daraus hervordrang, brach sich in mehr Farben, als ein Regenbogen enthalten konnte — so viele Farben und alle in so wilder Bewegung! Er kniff die Augen fast ganz zu, aber es machte ihn immer noch schwindlig und schlug ihm auf den Magen. Er sank auf die Knie, spürte die Steinchen des Inselstrandes. Der Kern des gleißenden Strahlens schien tatsächlich die Form eines Mannes zu haben, obwohl der Stein — halb geschmolzen wie Vulkanglas — und das unstete Licht es schwermachten, die Umrisse genau zu erkennen. Dennoch, die Gestalt schien sich regelrecht zu bewegen, sich in dem Fels zu winden, als ob sie von Alpträumen geplagt würde oder sich zu befreien suchte.
    Schließlich konnte Chert auch mit zusammengekniffenen Augen nicht länger hingucken, also senkte er den Kopf. Er kauerte auf allen vieren wie ein Hund, mit dem Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Und da, als das Gleißen schwächer wurde, sah er den Jungen nur wenige Schritt über sich auf dem ansteigenden Kiesufer liegen.
    »Flint!
« Seine Stimme flog in die weite Höhle hinaus — er konnte förmlich sehen, wie der Schall sich ausbreitete, fast wie Wellenringe. Er kletterte den losen Kies hinauf. Der Junge lag auf der Seite, das Gesicht halb nach unten gekehrt, einen Arm ausgestreckt, als wollte er dem glimmenden Riesen eine Gabe darbringen. Chert sah etwas Flaches, Glänzendes in der Hand des Jungen und registrierte zerstreut, daß es der Spiegel war, den Opalia und er in dem Säckchen, dem einzigen und wohlgehüteten Besitz des Kindes, gefunden hatten, doch dann sah er Flints Gesicht, knochenbleich unter dem dunklen Staub, und dieser Anblick vertrieb alles andere aus seinem Kopf.
    Der Junge wollte nicht aufwachen, da half kein Rütteln. Schließlich zog der Funderling den Jungen mühsam an seine Brust, preßte die kalte Wange des Kindes an seinen Hals und schrie um Hilfe, als ob es in der Nähe jemanden gäbe — als ob nicht Chert Blauquarz das einzige lebende Wesen im ganzen Kosmos wäre.

    Der Himmel war eine Nuance heller geworden, aber es sangen noch immer keine Vögel. Barricks Herz schlug so schnell wie Libellenflügel, und er konnte kaum atmen. Um sich herum hörte er die leisen Geräusche des erwachenden Lagers. Er fragte sich, ob wohl irgend jemand hatte schlafen können.
    Er prüfte noch einmal das Sattelzeug, zog einen Gurt nach, obwohl es gar nicht nötig gewesen wäre. Sein Rappe Kessel — den er

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