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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Bombarden auf den Hügel richteten. Obwohl er eine Rüstung trug, würde Barrick nicht mit der ersten Reiterwelle angreifen, nicht zuletzt, weil er nur ein leichtes Schwert statt der Lanze halten konnte. Er hätte sich über die Verhätschelung ärgern sollen, stellte aber fest, daß er froh war. Gerade zeigte sich die erste Morgenröte am östlichen Horizont. Die Klumpen von Schwarz wurden wieder zu Bäumen und Büschen, und obwohl der Wald auf der Hügelkuppe immer noch nebelverhüllt war, wirkte er doch unter dem heller werdenden Himmel nicht mehr ganz so unheimlich. Tatsächlich war in Barricks Augen jetzt alles gleichermaßen fremd und seltsam, das Menschenheer ebenso wie der nebelverhangene Wald. Obwohl er mittendrin war, hatte er das Gefühl, die ganze Szenerie von einem hochgelegenen Fenster, vielleicht vom Wolfszahnturm aus, zu beobachten.
    Er hielt den Atem an, als Feuer an die Lunten gelegt wurde und die Kanonen losbellten wie bronzene Hunde und Steinkugeln zu dem Wald auf der Hügelkuppe hinaufspien. Die ersten Schüsse gerieten zu kurz, die Kugeln hüpften den Hang hinan und verschwanden in der Deckung aus Bäumen, aber die Funderlinge richteten die Bombarden höher und feuerten wieder; diesmal krachten die runden Steine mitten auf die Hügelkuppe, fetzten Astwerk weg und hieben Bäume um. Geheul stieg von der Hügelkuppe auf, und zuerst wollte er vor Erleichterung am liebsten losjubeln — sie hatten die meisten von ihnen getötet, ganz sicher! Dann hörte er den Triumph in den nichtmenschlichen Stimmen. Es klang, als wären es Hunderte, wenn nicht gar Tausende.
    Tyne hatte ungeduldig auf das Ende des Geschützfeuers gewartet. In seinen Augen waren Kanonen für Belagerungszwecke da und für sonst gar nichts, und er hatte es auch deutlich gesagt, sich dann aber den Wünschen Ivar Brenhills und der fortschrittlicheren Edelleute gebeugt. Jetzt klappte er sein Helmvisier herunter und schwang den Arm durch die Luft. Die erste Bogenschützenreihe schoß und duckte sich dann, während die zweite Reihe ihre Pfeile durch die Luft sausen ließ. Tyne winkte wieder mit einer ausholenden Armbewegung, und mit einem Geschrei, das fast so schrecklich war wie das von der Hügelkuppe, stürmte die erste Welle von Pikenieren den Hang hinauf, die schwankenden, gegeneinanderschlagenden Piken wie eine kahle Version des höher gelegenen Waldes, ihre Träger von dem Wissen angetrieben, daß die nachfolgenden Reiter jeden Nachzügler niedertrampeln würden. Von oben schwirrten Pfeile auf sie herab, erstaunlich wenige nur, aber schrecklich treffsicher. Ein Dutzend Männer waren bereits gefallen, darunter mindestens ein Ritter. Sein Pferd lag, im Todeskampf zuckend, neben ihm, während die anderen Reiter vorbeidonnerten.
    Lange, wirre Augenblicke voller Lärm und Rauch vergingen, ehe Barrick und seine Kampfgefährten ihre Pferde den Hügel hinauftrieben, Zeit genug für die erste Welle von Fußsoldaten, die Kuppe zu erreichen und in den Wald einzudringen. Barrick hörte Gebrüll, erregtes Rufen, sogar ein paar Schreie, vor allem aber hörte er die unheimlichen Stimmen der Feinde — Stimmen wie die klagenden Laute von Seevögeln, wie Wolfsgeheul und Fuchsgebell, die durch die darin untergehenden Menschenworte noch gräßlicher klangen.
    »Briony ...«, murmelte er, konnte es aber nicht einmal selbst hören.
    Einige Soldaten der ersten Angriffswelle taumelten blutend und schreiend zurück. Die Elben hatten einen Dornenwall errichtet. Die Reiter hinter ihnen drängten weiter, hackten sich zum Teil mit Äxten voran und töteten etliche Verteidiger des Walls. Aus den Bäumen zischten Pfeile auf sie herab, allerdings immer noch seltsam wenige, und Barrick spürte die wachsende Besorgnis Graf Tynes und der anderen Heerführer — war es doch ein Hinterhalt? Aber auf den Hängen und Wiesen ringsum war auch jetzt niemand zu entdecken; für den Moment schien die bewaldete Kuppe das wütende Herz der Welt, eine Insel des Lärms und des Kampfgetümmels inmitten von Stille.
    »Sie brechen aus!« rief jemand mit hoher, erstickter Stimme — vielleicht sein Cousin Rorick, dachte Barrick. Auf der Hügelkuppe war jetzt eine Schar Männer rückwärts aus dem Wald getrieben worden und im Kampf mit einer Gruppe heulender, weißhaariger Krieger. Inmitten der Verteidiger stand eine riesengroße Gestalt in den Steigbügeln und hieb mit etwas zu, das von weitem wie eine bizarr geformte Klinge aussah. Das Haar der Gestalt wehte lose im Wind wie das

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