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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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hat mir den Kadaver versprochen, zur eingehenden Untersuchung und Sektion. Aber ich habe noch nichts bekommen, obwohl inzwischen beunruhigende Gerüchte an mein Ohr dringen, er habe die besten Teile bereits als Trophäen vergeben.« Schon auf dem Weg zur Tür, rief er über die Schulter: »Mach das Dach zu, Toby. Ich habe es mir anders überlegt — für die Himmelsbeobachtung wird es heute nacht wohl ohnehin zu wolkig sein.«
    Mit der Miene resignierter Verzweiflung begann der junge Mann, die mächtige Kurbel zu drehen. Langsam, Zoll für Zoll und mit einem Geräusch wie das Todesstöhnen irgendeines Sagenungeheuers, schloß sich das riesige Dach.
    Draußen hatten die vier schwergepanzerten Wachen der Zwillinge gerade die Observatoriumstür erreicht und eine kleine Verschnaufpause eingelegt, als die drei herausstürmten und die Treppe hinuntereilten, unterwegs zum Frühlingsturm.
     
    Ein Mädchen, nicht älter als sechs Jahre, öffnete ihnen die Tür zu Anissas Gemächern, knickste und trat dann zur Seite. Der Raum war überraschend hell. Dutzende Kerzen brannten vor einem blumenbestreuten Schrein der Geburtsgöttin Madi Surazem, und in allen Ecken standen Tontöpfe mit frischen Weizengarben, um den Segen des fruchtbringenden Erilo herabzubeschwören. Ein halbes Dutzend Hofdamen wachten rund um das riesige Bett wie Krokodile in einem der Wassergräben von Xis. Eine ältere Frau mit der schroff-praktischen Art einer Hebamme oder eines Kräuterweibs warf einen Blick auf Barrick und sagte: »Er kann hier nicht rein. Das ist Frauensache.«
    Ehe der Prinz mehr tun konnte als nur grimmig gucken, zog seine Stiefmutter die Bettvorhänge ein Stück auf und lugte heraus. Ihr Haar war offen, und sie trug ein voluminöses weißes Nachtgewand. »Wer ist da? Der Arzt? Natürlich kann er zu mir.«
    »Aber da ist auch noch der junge Prinz, Hoheit«, erklärte die Alte.
    »Barrick?« Sie sprach es
Ba-riek
aus. »Was bist du nur so töricht, Weib? Ich bin sittsam bekleidet. Ich komme noch nicht sofort nieder.« Sie seufzte und sank wieder hinter die Vorhänge zurück.
    Bis Chaven und die Zwillinge den Raum durchquert und das Bett erreicht hatten, waren die Vorhänge wieder offen, zurückgebunden von der Zofe Selia, die Barrick spontan anlächelte, dann aber Briony sah und statt dessen beiden respektvoll zunickte. Anissa lag halbaufgerichtet da, einen Berg Kissen im Rücken. Zwischen ihren Füßen, die in Pantoffeln steckten, balgten sich winzige Hündchen um ein Stück Stoff. Sie trug nicht die übliche helle Schminke und wirkte daher regelrecht rosig und gesund. Barrick, der im Gegensatz zu Briony gar nicht erst versucht hatte, seine Stiefmutter zu mögen, war sich sicher, daß die ganze Sache mit dem Arzt nur dazu diente, Anissa die Zeit zu vertreiben.
    »Kinder«, sagte sie und fächelte sich Luft zu. »Wie nett, daß ihr kommt. Ich bin so krank, daß ich derzeit gar niemanden mehr sehe.« Barrick spürte, wie Briony leicht zusammenzuckte, als diese Frau sie »Kind« nannte. Tatsächlich war er selbst erstaunt, wie jung ihre Stiefmutter aussah, so ungeschminkt und mit offenem Haar. Aber sie war schließlich nur fünf oder sechs Jahre älter als Kendrick. Und sie war auch auf eine aufdringliche Art hübsch, wenngleich Barrick ihre Nase ein wenig zu groß fand.
    Mit ihrer Zofe kann sie nicht mithalten,
dachte er und versuchte, noch einmal Selias Blick zu erhaschen, aber sie betrachtete besorgt ihre Herrin.
    »Ihr fühlt Euch schlecht, meine Königin?« fragte Chaven.
    »Bauchschmerzen. Ach, ich kann's Euch gar nicht sagen.« Obwohl sie von zierlicher Statur und auch so kurz vor der Niederkunft noch schlank war, hatte Anissa die Gabe, einen Raum zu dominieren. Briony nannte sie manchmal die Laute Maus.
    »Und habt Ihr getreulich das Elixier eingenommen, das ich Euch bereitet habe?«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das? Es schnürt mir das Gedärm zusammen. Darf ich das sagen, oder ist es ungehörig? Ich habe seit Tagen keinen Stuhlgang mehr gehabt.«
    Barrick hatte genug von den Geheimnissen des Krankenbetts. Er verbeugte sich vor seiner Stiefmutter, entfernte sich dann rückwärts zur Tür und wartete dort. Anissa hielt seine Zwillingsschwester noch eine Weile fest, indem sie ungeduldig fragte, wieso denn noch keine Nachricht von dem hierosolinischen Gesandten da sei, und sich dann darüber beschwerte, daß sie Olins Brief nicht vor Kendrick erhalten hatte. Endlich machte Briony einen Knicks und zog sich ebenfalls an

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