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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gedanken desjenigen zu hören, der ihr Herr und Gebieter war, der einzige Stern an ihrem kalten, dunklen Firmament. Schließlich war jetzt die Zeit, ehernen Willen zu beweisen, einen Dornenverhau ums eigene Herz wachsen zu lassen.
»Es ist alles in Gang gesetzt. Wie du verlangt hast. Wie du befohlen hast.«
    »Es gibt also kein Zurück mehr.«
    Es klang fast wie eine Frage, aber Yasammez wußte, das konnte nicht sein.
»Kein Zurück mehr«,
bestätigte sie.
    »Nun denn, zu gegebener Zeit werden wir sehen, welch neue Seiten dem Buch hinzuzufügen sein werden.«
    »Ja, das werden wir.«
Sie wollte so gern noch mehr sagen, wollte fragen, woher dieser plötzliche Unterton rührte, diese Besorgnis, die fast schon wie Schwäche wirkte, und das bei demjenigen, der nicht nur ihr Gebieter war, sondern auch ihr Lehrer, aber es kam nichts heraus. Sie konnte die Frage noch nicht einmal auf der lautlosen Ebene ihrer Gedankenmitteilungen formulieren. Worte waren noch nie Yasammez' Freunde gewesen, das hatten sie mit fast allem unter dem Mond und der Sonne gemein.
    »Dann Lebwohl. Wir sprechen uns bald wieder, wenn deine große Aufgabe erfüllt ist. Sei meiner Dankbarkeit gewiß.«
    Fürstin Stachelschwein war wieder allein mit dem Wind und ihren Gedanken, diesen seltsam bitteren Gedanken, im Garten des Hauses, das den Namen Tränenstrom trug.

    Das längere und schwerere Schwert glitt von Barricks Kurzschwert ab und krachte auf den kleinen Rundschild an seinem linken Arm. Ein Schmerzblitz zuckte durch seine Schulter. Er schrie auf, sank aufs Knie und schaffte es gerade noch, seine Klinge hochzureißen, um den zweiten Schlag zu parieren. Er rappelte sich auf und rang um Atem. Die Luft war voller Sägemehl. Er vermochte sein schlankes Schwert kaum noch hochzuhalten.
    »Schluß.« Er trat einen Schritt zurück und ließ das Kurzschwert sinken, doch statt sein längeres Schwert ebenfalls zu senken, machte Shaso einen jähen Ausfall, die Klinge auf Barricks Fußgelenke gerichtet. Der überrumpelte Prinz zögerte kurz, ehe er hochsprang, um dem Stoß auszuweichen. Das war ein Fehler: Als er ungeschickt wieder aufkam, hatte der alte Mann sein Schwert bereits umgedreht und umfaßte jetzt die Klinge mit seinen Kampfhandschuhen. Er stieß Barrick den Schwertknauf so fest vor die Brust, daß auch noch der Rest Luft aus der Lunge des Jungen entwich. Barrick taumelte rückwärts und ging zu Boden. Einen Moment lang senkten sich schwarze Wolken auf ihn herab. Als er wieder sehen konnte, stand Shaso über ihm.
    »Verdammt!« keuchte Barrick. Er trat nach Shasos Bein, aber der Alte wich behende aus. »Habt Ihr nicht gehört? Ich sagte, Schluß jetzt!«
    »Weil dein Arm müde ist? Weil du letzte Nacht nicht gut geschlafen hast? Willst du das in der Schlacht auch tun? Um Gnade betteln, weil du nur mit einer Hand kämpfst und die ermattet ist?« Shaso schnaubte angewidert und drehte dem jungen Prinzen den Rücken. Barrick schaffte es mit Mühe, nicht aufzuspringen und dem alten Tuani für diese Verachtungsgeste das gepolsterte Übungsschwert über den Schädel zu ziehen.
    Aber es war nicht nur ein letzter Rest von Ehre und Anstand, der ihn davon abhielt, und auch nicht die Erschöpfung: Barrick bezweifelte, daß er den Hieb wirklich landen würde.
    Statt dessen erhob er sich langsam und fing an, Schild und Handschuhe abzulegen, um sich den Arm massieren zu können. Obwohl seine linke Hand zu einer Art Vogelklaue verkrümmt und sein Unterarm so dünn wie der eines Kindes war, hatte er doch durch unzählige Stunden schmerzhaften Hebens von Eisengewichten die Muskeln und Sehnen von Oberarm und Schulter so weit gekräftigt, daß er den Schild wirksam zu handhaben vermochte. Aber — und er gab das ungern zu und hätte es niemals laut getan — Shaso hatte recht: Er war immer noch nicht stark genug, nicht einmal der gesunde Arm, der seine einzige Klinge schwingen mußte, da für seine verkrüppelten Finger selbst ein Dolch zuviel war.
    Als er an dem weiten Hirschlederhandschuh zupfte, der dazu diente, die entstellte Hand zu verbergen, war er immer noch wütend. »Ihr fühlt Euch wohl stark, wenn Ihr einen Mann schlagt, der nur einarmig kämpfen kann?«
    Die Gehilfen des Waffenmeisters, die heute der vergleichsweise ruhigen Arbeit nachgingen, an der mächtigen Werkbank an der Südwand des Raums neue Lederriemen zu schneiden, sahen auf, aber nur kurz — sie waren derlei Dinge gewohnt. Barrick bezweifelte nicht, daß sie ihn alle für ein verwöhntes Kind

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