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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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werden nie herausfinden, was hier geschehen ist, nie die Hand dingfest machen, die diese grausame Tat begangen hat, wenn wir nicht ... wenn wir unter den Augen der trauernden Familie arbeiten müssen.«
    »Der schwarze Mann ...!« Briony sah auf, plötzlichen Fieberglanz in den Augen. »Meine Jungfer hat von einem schwarzen Mann geträumt. Wo ist dieser niederträchtige Dawet? War er es? Ist er der Mörder meines ... meines ...?« Ihr Mund zitterte, verzog sich, und wieder brach ein herzzerreißendes Weinen aus ihr hervor. Sie preßte den Kopf an Kendricks Oberkörper.
    »Hoheit, Ihr müßt jetzt da wegkommen«, erklärte Brone und zupfte nervös an seinem Bart. »Ihr werdet Gelegenheit haben, Euch gebührend von dem Prinzen zu verabschieden, das verspreche ich Euch.«
    »Er ist kein Prinz — er ist mein Bruder!«
    »Er war beides, Hoheit.«
    »Du mußt jetzt aufstehen, Briony«, sagte Barrick so lahm, als wäre es eine Lüge, von der er selbst nicht glaubte, daß sie ihm jemand abnehmen würde.
    Avin Brone sah den Gardehauptmann hilfesuchend an. Vansen trat vor. Er verabscheute, was die Pflicht jetzt von ihm forderte. Brone hatte bereits den einen Arm des Mädchens mit seinen breiten Händen gepackt. Vansen faßte den anderen, aber Briony wehrte sich und funkelte ihn so haßerfüllt an, daß er wieder losließ.
    »Prinzessin!« zischte Brone. »Euer älterer Bruder ist tot, daran könnt Ihr nichts ändern. Schaut Euch doch um. Schaut dort hinaus!«
    »Laßt mich in Ruhe!«
    »Nein, beim Fluch der Götter, schaut doch einmal zur Tür!«
    Vor dem Gemach des Prinzregenten schwebten Dutzende bleicher Gesichter gespenstisch im Dunkel — Gaukeleien des Laternenscheins. Die Burgbewohner drängten sich dort zusammen und starrten ungläubig und entsetzt herein.
    »Ihr und Euer Bruder seid jetzt die Oberhäupter des Hauses Eddon«, erklärte ihr Brone in barschem Flüsterton. »Für die Leute ist es wichtig, Euch stark zu sehen. Euer Schmerz muß warten, bis Ihr allein seid. Könnt Ihr nicht aufstehen und stark sein, um Eures Volkes willen?«
    Zunächst schien sie ihn eher anspucken als mit ihm sprechen zu wollen, aber dann endlich schüttelte Briony den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken über Augen und Wangen.
    »Ihr habt recht, Konnetabel«, sagte sie. »Aber ich werde es Euch nie verzeihen.«
    »Ich habe mein Amt nicht inne, damit man mich mag oder mir verzeiht, Herrin. Kommt jetzt, Ihr seid zwar in Trauer, aber Ihr seid immer noch Prinzessin. Laßt uns jetzt tun, was wir zu tun haben.« Er bot ihr seinen kräftigen Arm.
    »Nein, danke«, sagte sie. »Barrick?«
    Ihr Zwillingsbruder tat einen unsicheren Schritt auf sie zu. »Was ... ?«
    »Wir gehen in die Kapelle.« Briony Eddons Gesicht war jetzt eine Maske, so hart und blaß wie gebrannter weißer Ton. »Wir werden dort für Kendrick beten. Wir werden Kerzen entzünden. Und falls der Konnetabel und dieser sogenannte Gardehauptmann denjenigen finden sollten, der unseren Bruder vor ihrer Nase umgebracht hat, dann werden wir gefaßt genug sein, das angemessene Urteil über ihn zu sprechen.«
    Sie nahm den Arm ihres Bruders und ging um Ferras Vansen herum, ohne ihn eines Blicks zu würdigen, so als wäre er eine Kuh oder ein Schaf, zu dumm, um selbst aus dem Weg zu gehen. Er sah, daß ihr die Augen wieder überliefen, aber sie hielt den Kopf hoch erhoben. Die Bediensteten und sonstigen Burgbewohner draußen auf dem Gang drückten sich an die Wände, um die beiden durchzulassen. Einige riefen ihnen ängstliche Fragen zu, aber Briony und ihr Bruder schritten zwischen ihnen hindurch, als wären sie alle nur Bäume und ihre Stimmen nichts als das Rauschen des Windes.
    »Würdet Ihr mitgehen, Eminenz?« fragte Brone den Hierarchen Sisel, als die Zwillinge außer Hörweite waren. »Wir müssen sie aus dem Weg haben, um unsere Arbeit tun zu können, aber ich bin in Sorge um sie und das Königreich. Würdet Ihr sie begleiten und mit ihnen beten, damit sie Kraft finden?«
    Sisel nickte und folgte dem Prinzen und der Prinzessin. Trotz allem beeindruckte es Vansen, daß sein oberster Vorgesetzter den Oberpriester — einen Gottesmann, der nur dem Trigonarchen im fernen Syan Rechenschaft schuldig war — einfach abkommandierte wie einen gemeinen Knecht.
    Als sie alle weg waren, runzelte Brone die Stirn und spuckte aus. Solch respektloses Verhalten am Totenlager des Prinzen schockierte Vansen, aber der Konnetabel schien ganz mit anderen Dingen beschäftigt. »Wenigstens ist

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