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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mutter war.
    »Gebt ihr sie dem Gott zur Braut?« fragte der Minister ihre Eltern, die immer noch tief gebeugt dastanden, unfähig, den Autarchen anzusehen. Trotz ihres eigenen Elends schämte sich Qinnitan für ihren Vater. Cheshret war Priester und fähig, vor dem Altar des Nushash selbst zu stehen, warum also sollte er dem Autarchen nicht ins Gesicht blicken können?
    »Natürlich«, sagte ihr Vater. »Es ist uns eine Ehre ... wir ... eine große Ehre ...«
    »Ja, das ist es.« Der Autarch zeigte mit seinem funkelnden Finger auf eine Holztruhe. »Gebt ihnen das Geld. Jeddin, ein paar von Euren Männern werden ihnen tragen helfen.« Der Leopardensoldat, der sie vorhin so angestarrt hatte, murmelte ein paar Worte, und zwei Musketiere traten vor und hoben die Truhe hoch. Sie war offensichtlich schwer.
    »Der Wert von zehn Pferden in Silber«, sagte der Autarch. »Ein großzügiges Entgelt für die Ehre, eure Tochter in mein Haus bringen zu dürfen, nicht wahr?«
    Die Männer mit der Geldtruhe waren schon auf dem Weg durch den Thronsaal. Qinnitans Eltern krebsten ungeschickt hinterher, weil sie die Truhe nicht aus den Augen verlieren wollten, sich aber nicht trauten, dem Autarchen auch nur andeutungsweise den Rücken zuzuwenden.
    »Ihr seid zu gütig, Herr des Großen Zeltes«, rief ihr Vater und verbeugte sich unablässig. »Ihr erweist unserem Haus zuviel der Ehre.« Qinnitans Mutter weinte wieder. Gleich darauf waren sie verschwunden.
    »Und jetzt ...«, hob der Autarch an, aber da hustete wieder jemand. Das fleischlose Gesicht des Autarchen verzog sich zu einer ärgerlichen Grimasse. »Wer ist das? Schafft ihn her.«
    Drei weitere Leoparden stürzten vom Podest und in den Saal, die blanken, ziselierten Feuerwaffen in die Luft gerichtet. Die Menge wich erschrocken zurück. Gleich darauf schleiften die drei Soldaten einen schwächlichen jungen Mann zum Podest. Die Menge wich noch weiter zurück, als wäre er womöglich Überträger einer tödlichen Krankheit, was er ja wohl auch war, da er den Zorn des Gottes auf Erden auf sich gezogen hatte.
    »Haßt du mich so sehr, daß du mich mit deinem Gebell unterbrechen mußt?« herrschte ihn der Autarch an. Der junge Mann, der auf die Knie gefallen war, als ihn die Leoparden losgelassen hatten, vermochte nur den Kopf zu schütteln. Er weinte vor Angst, und sein Gesicht hatte jetzt die Farbe von Safran. »Wer bist du?«
    Der Bursche war offensichtlich zu verängstigt, um eine Antwort herauszubringen. Schließlich räusperte sich der Oberste Minister. »Er ist Zahlenschreiber in meinem Schatzministerium. Er ist gut im Rechnen.«
    »Das sind tausend Händler auf dem Leimrutenmarkt auch. Könnt Ihr mir einen Grund nennen, warum ich ihn nicht töten lassen sollte, Vash? Er hat mir bereits zu viel Zeit gestohlen.«
    »Gewiß, o Goldener«, sagte der Oberste Minister mit einer Geste größten Bedauerns. »Alles, was ich zu seinen Gunsten vorbringen kann, ist, daß er angeblich fleißig und bei den anderen Schreibern sehr beliebt ist.«
    »Ach ja?« Der Autarch starrte einen Moment an die berühmte Mosaikdecke und kratzte sich mit einem langen Finger an der Nase. Das Thema schien ihn bereits zu langweilen. »Nun gut, hier mein Urteil. Leoparden, schafft ihn weg. Schlagt ihn und brecht ihm die Knochen mit der Eisenstange. Und wenn er überlebt, mögen sich seine sogenannten Freunde im Schatzministerium um ihn kümmern, ihn füttern und dergleichen. Dann werden wir ja sehen, wie weit ihre Freundschaft wirklich geht.«
    Die Menge pries murmelnd die Weisheit dieses Urteils, während Qinnitan einen Aufschrei des Entsetzens und der Wut unterdrückte. Der junge Mann wurde weggeschafft. Seine Füße schleiften über den Boden und hinterließen eine feuchte Spur wie die einer Schnecke. Er war ohnmächtig geworden, nicht ohne zuvor noch seine Blase entleert zu haben. Drei Diener beeilten sich, die Steinfliesen sauberzuwischen.
    »Jetzt zu dir, Mädchen«, sagte der Autarch, noch immer ärgerlich, und Qinnitans Herz raste. War er ihrer schon überdrüssig? Würde er sie töten lassen? Er hatte sie ihren Eltern soeben abgekauft wie ein Huhn, und niemand würde einen Finger für sie rühren. »Tritt vor mich.«
    Irgendwie brachte sie ihre Beine dazu, sie die Stufen hinaufzutragen. Sie war dankbar, als sie die Stelle vor dem Falkenthron erreicht hatte, dankbar, sich auf die Knie fallen lassen zu können und sie nicht mehr zittern fühlen zu müssen. Sie senkte die Stirn auf den kühlen Stein und

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