Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
»Du hast schon geschlafen, als ich vom Arzt kam.«
»Es war gut«, antwortete Svenja. »Ich habe vorher angerufen und bin dann zu ihr gefahren. Ich konnte mit ihr in ihrem Zimmer reden. Deine Ex war sehr freundlich, sie hatte nichts dagegen. Seitdem plagt mich allerdings eine Frage.«
»Die Frage stelle ich mir auch, die kenne ich«, sagte Müller.
»Und wie lautet sie?«
»Wie konnte ich jemals diese Frau heiraten?«, murmelte Müller.
»Richtig. Und wahrscheinlich hast du keine Antwort darauf.«
»Habe ich nicht«, sagte er. »Es war ein anderes Leben, ich wuchs in den Agenten Müller rein. Ich habe wahrscheinlich versucht, eine Anbindung an das bürgerliche Leben zu erwischen, ich wollte einfach wie alle sein, und ich wusste nicht, dass das schiefgehen musste. Das tut mir heute noch bitter leid. Wahrscheinlich war ich einfach naiv.«
»So naiv war ich auch einmal«, sagte Svenja. »Als ich in der Rangerausbildung in den Staaten war, habe ich mich sogar verlobt. Stell dir das mal vor.«
Das hatte sie noch nie erzählt, das war für Müller neu. »Du warst mal verlobt?«
»Ja.« Sie lachte. »Er war ein wirklich lieber Kerl, und er wollte mit aller Macht zu den Navy Seals, und ich wollte für die CIA arbeiten. Wir haben uns gesagt, wir bleiben ewig zusammen, wir bauen irgendwann ein Häuschen und haben jede Menge Kinder. Mein Gott, wie waren wir doch naiv.«
»Und wie ging das zu Ende?«
»Zwei Jahre später, als ich begriff, dass Heiraten in dem Beruf, den ich wollte, etwas absolut Tödliches wäre.« Dann schwieg sie eine Weile und setzte hinzu: »Es geht ja auch ohne, oder?«
»Ja, es geht ohne«, sagte er lächelnd. »Was hat meine Toch ter gesagt?«
»Sie war eigentlich ganz gut drauf, inzwischen will sie auch gar nicht mehr zu dir ziehen. Sie sagte nur, mit diesem Kerl im Haus wäre das echt schwierig. Und das habe ich ihr auch abgenommen, da ist sie sicher ehrlich.«
»Hast du ihn gesehen?«
»Nein. Nur mit deiner Ex habe ich noch eine Viertelstunde gesprochen. Sie ist übrigens der Meinung, sie hätte dich nie heiraten dürfen. Also können wir einen Club aufmachen. Nein, sie war wirklich nett. Anna-Maria ist im Moment sehr schwierig. Auch wenn sie erst zehn ist, wird sie doch so ganz langsam eine Frau. Das scheint sie furchtbar zu verwirren, und momentan hält sie alle Erwachsenen grundsätzlich für verlogen, wichtigtuerisch und arrogant. Eigentlich würde sie gerne mehr von dir wissen, was du so tust in deinem Beruf und solche Dinge. Das habe ich ihr erzählt. Und ich habe auch gesagt, dass sie dich ruhig anrufen soll, wenn ihr danach ist.«
»Wie hast du ihr denn meinen Beruf beschrieben?«
»Ich habe gesagt, du bist Agent, du sammelst im Ausland Nachrichten, die für unser Land wichtig sind. Deshalb bist du dauernd unterwegs. Sie fand das ganz spannend, aber ihre Neugier erlahmte schnell, als sie begriff, dass du nur selten in Berlin bist.«
»Was hast du über uns gesagt?«
»Dass wir uns lieben, dass wir aber niemals heiraten werden, sondern nur zusammen sind, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Da war sie ganz hellhörig. Das Thema Liebe interessiert sie natürlich sehr.«
»Das ist gut«, sagte er erleichtert. »Ich habe viele Monate damit verbracht, ihr von überall auf der Welt Briefe zu schreiben. Auch über mich und meinen Beruf. Die Briefe waren alle so bescheuert, dass ich sie zerrissen habe. Gott sei Dank.«
Sowinskis Stimme kam über die Bluetooth-Anlage. Er sagte: »Wir haben jetzt eine klarere Situation an der österreichischen Grenze. Der Lkw, der leer aufgefunden wurde, ist mittlerweile identifiziert. Es ist ein Volvo. Er wurde in Italien gekauft, lief lange bei einer Spedition, dann bei einem zweiten Spediteur, dann bei einer kleinen Firma, bei der er meistens herumstand und vor sich hin gammelte. Er ist fast zwanzig Jahre alt, und seine Nummernschilder sind geklaut. Sie stammen von einem Lkw aus dem italienischen Ferrara. Es gibt aber einen Zeugen, der in der fraglichen Nacht beobachtet hat, wie die Ladung auf zwei Laster umgeladen wurde. Eine Personenbeschreibung dieser Leute fehlt allerdings ebenso wie eine Beschreibung des Fahrzeugs, seine Nationalität und sein Kennzeichen. Das nur zu eurer Kenntnis.«
»Wie sieht es bei Goldhändchen und den Gerüchtekochern aus?«, fragte Müller.
»Da tut sich viel, aber nichts Entscheidendes. Eine sichere Spur gibt es ins Kanzleramt, eine zweite in die Heimat der Kanzlerin in Mecklenburg-Vorpommern. Eine dritte in den
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