Die Grenzgängerin: Roman (German Edition)
aber willig, und er liebte sie dafür.
Die ersten Antworten kamen ohne Verzögerung aus Garmisch und München. Zunächst hieß es lapidar, es habe im Markt noch niemals ein so verblüffend reines Kokain gegeben wie in den vergangenen vier Tagen. Es sei so rein, dass es im Lieferzustand bei etwa fünfundneunzig Prozent liege. Es folgten Friedrichshafen am Bodensee, dann Konstanz, dann Freiburg, dann Stuttgart. Immer verbunden mit der Bemerkung der Fahnder, das sei »ein unglaublich guter Stoff, die User jubeln«.
Müller sagte nachdenklich: »Das passt. Jongen Truud erobert neue Märkte, und Madeleine ist die Speerspitze dieser Bewegung. Sie füttern die Szenen an. Sie hat das geplant, und sie setzt es auch um. Und anschließend werden sie mit anderen Stoffen kommen, mit reiner Chemie, mit Speed und valiumähnlichen Stoffen, und den Markt damit überschütten. Sie planen das ganz große Ding, sie mischen die Szene auf.«
»Es werden schlimme Nachrichten folgen«, brummte Krause. »Das wird richtig krachen. Wir sollten sofort Standleitungen mit allen Landeskriminalämtern einrichten und mit den Drogenreferaten in allen größeren Städten und Ballungszentren. Es wird Stunk in der Szene geben und Tote. Sämtliche lokalen Größen werden vor Wut an die Decke gehen, wenn Madeleine nicht sie anruft, sondern die Konkurrenten.«
»Ich möchte zu gerne wissen, in welcher Luxusherberge sie sich eingemietet hat, um das zu verfolgen«, sagte Svenja. »Ich würde sie jetzt gerne beobachten können, wie sie mit ihrem Laptop spielt und begeistert registriert, wie ihre Saat aufgeht.«
»Niemals!«, widersprach Dehner scharf. »Sie sitzt nirgendwo im Hotel herum, sie geht mit, sie ist dabei. So etwas wird sie sich niemals entgehen lassen, das will sie live erleben.«
»Stimmt, sie wird dabei sein, Thomas hat recht«, lenkte Svenja ein.
Der erste Tote wurde aus Stuttgart gemeldet. Er sei gefunden worden auf einem Parkplatz in der Nähe von Waiblingen. Offensichtlich ein Lkw-Fahrer, denn der Volvo stand daneben, sei aber besenrein leergeräumt. Die Identität des Fahrers war noch nicht geklärt. Er sei mit einem Kopfschuss hingerichtet worden, Kaliber neun Millimeter. Das Fahrzeug habe deutsche Kennzeichen, aber die seien offensichtlich gestohlen und gehörten nicht zum Fahrzeug.
»Fliegen wir hin?«, kam Essers Stimme.
»Nein«, entschied Krause. »Das ist erst der Anfang. Wir fliegen erst, wenn der Tatort frischer ist als sechs Stunden.«
Es war verwirrend, weil Meldungen aus Nürnberg, Mannheim und Kaiserslautern beinahe gleichzeitig eintrafen. Und zu allem Überfluss zeitgleich schnelle Bestätigungen aus Leipzig, Zwickau und Chemnitz. Die Szene habe Grund zum Feiern, das Zeug sei fantastisch.
»Ruhe bewahren!«, mahnte Sowinski über Lautsprecher an. »Die Frau wäre verrückt, wenn sie sich auf einen einzigen Lkw konzentrieren würde. Sie muss schnell sein, schneller als die Fahnder und noch sehr viel schneller als alle die vielen kleinen und großen Dealer. Sie wird selbstverständlich mit mehreren Fahrzeugen operieren. Ich frage mich nur, wie sie den Überblick behält. Aber sie hat es eingerichtet, also wird sie wissen, wie es funktioniert. Und wenn sie einen Fehler macht, werden wir das sofort merken.«
»Moment«, warf Goldhändchen ein. »Drogen sind Bargeld, und Leute wie Truud und Wagner verschenken keinen Cent. Und niemals werden Lkw-Fahrer Drogengelder kassieren. Wie machen sie das, wie genau kommen sie an ihr Geld?«
Eine Weile herrschte Schweigen.
Dann sagte Krause: »Sie liefert das Zeug an, aber sie fährt es dem Großabnehmer nicht vor das Eigenheim, sondern sie trifft den irgendwo. Wahrscheinlich auf einen Anruf hin. Und das Treffen wird niemals in der Nähe eines Lkw stattfinden, sondern in ihrem Auto, das sie jetzt fährt. Also irgendwo auf kleinen Nebenstraßen. Und alles läuft sehr schnell. Sie tauscht die Drogen gegen Bargeld und ist verschwunden. Sie braucht nicht mehr zu tun, den Rest erledigen die großen und kleinen Abnehmer, die sich darum prügeln werden, wenn unsere liebe Madeleine das nächste Mal auftaucht, in einem Monat, in einem Jahr, mit anderen Stoffen. Das ist teuflisch gut gemacht. Wie sagte unser Gutachter: Sie kann bei Bedarf jede Menge Energie freisetzen. Und genau das demonstriert sie jetzt.«
»Was heißt das jetzt genau?«, fragte Esser. »Sie dreht das Ding mit verschiedenen Lkws. Und was, so frage ich, macht sie mit dem Lkw, der den Sprengstoff geladen hat? Tuckert der
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